0639 - Merlins Zauberwald
das Gefühl, von draußen beobachtet zu werden, wieder verschwunden. Der fremde Spion hatte seine Bemühungen eingestellt.
Yaga ritt auf ihrem Ofen weiter, ihrem Instinkt folgend.
Wo in diesem Labyrinth befand sich ihr Ziel?
»Du willst es doch gar nicht wirklich finden«, sagte eine Stimme unmittelbar hinter ihr.
***
Der Weg vom Château Montagne in Frankreich zu Ted Ewigks Villa in Rom war kurz. Die Regenbogenblumen ermöglichten es, die Hunderte von Kilometern mit wenigen Schritten und ohne jeden Zeitverlust zurückzulegen. In den Kellertiefen des Châteaus traten Zamorra und Nicole zwischen die Blumen mit den großen, in allen Farben des Regenbogenspektrums schillernden Blüten, und in Ted Ewigks Keller traten sie zwischen den dortigen Blumen wieder hervor.
Carlotta nahm sie in Empfang. Sie wirkte etwas hektisch, stutzte aber beim Anblick der beiden Besucher. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Tut mir leid, daß ich gestört habe. Ihr hattet wohl gerade etwas ganz Bestimmtes vor…«
»Quatsch«, konterte Nicole. »Ich hatte nur gerade mal wieder nichts anzuziehen, weil dieser knauserige Professor seine Kreditkarte nicht rausrückt, und da habe ich ihn eben ein wenig geplündert…«
»Daß du nichts anzuziehen hast, ist aber noch kein Grund, daß du meine alten Hemden aufträgst«, wandte Zamorra ein und eroberte sich mit ein paar schnellen, überraschenden Griffen das Stück Stoff zurück. Triumphierend grinste er Nicole an und schlüpfte in die Ärmel. »Was ist nun mit Ted? Du hast gesagt, er sei von einem Moment zum anderen verschwunden.«
Carlotta zuckte mit den Schultern.
»Könnte es nicht mal andersherum ablaufen, daß du nichts anzuziehen hast, Zamorra? Mir gönnt aber auch keiner was… Ted ist hier einfach aus dem Wohnzimmer verschwunden. Schaut es euch an. Die Fenster sind immer noch zu, da kann er nicht hinausgeklettert sein. Und die Tür… das hätte ich mitbekommen.«
»Bist du sicher?« fragte Zamorra.
»Hör mal, ich bin doch nicht betrunken!« fuhr Carlotta auf. »Ich weiß doch, was ich sehe! Er ist aus dem Wohnzimmer verschwunden! Aus einem Zimmer, das durchaus überschaubar ist und keine Geheimtüren besitzt. Ich versteh's nicht…«
»Erzähl am besten mal von vorn«, bat Zamorra.
Inzwischen hatten sie das Wohnzimmer erreicht.
Sie kannten sich in Teds Villa bestens aus, waren schon oft genug hier gewesen. Man besuchte sich häufig gegenseitig, manchmal auch ohne Voranmeldung. Zamorra sah sich rasch um. Alles sah völlig normal aus. Sein Amulett konnte auch keine Schwarze Magie registrieren. Abgesehen davon, daß schwarzmagische Geschöpfe hier ebensowenig eindringen konnten wie ins Château Montagne, weil beide Bauwerke mit weißmagischen Schutzfeldern gesichert waren, die kein Dämon durchdringen konnte.
»Ted kam vom Flughafen«, sagte sie. »Er war für knapp zwei Wochen im Ausland, hat irgendeine Reportage gemacht. Heute kam er zurück, hat noch nicht mal seine Koffer ausgepackt. Die stehen noch drüben im Eingangsbereich. Er wollte nur eben kurz an die Hausbar und sich einen Drink nehmen, und ich war aus dem Zimmer, weil das Telefon klingelte und ich das Gespräch entgegennehmen wollte. Irgendein aufdringlicher Werbe-Clown war dran und wollte mir eine Lebensversicherung oder einen Kühlschrank oder was auch immer aufschwatzen. Die ganze Zeit über stand ich mit dem Gesicht zur Wohnzimmertür. Wenn Ted herausgekommen wäre, hätte ich ihn einfach sehen müssen! Aber als ich dann ins Wohnzimmer zurück ging - war Ted weg.«
Zamorra nickte. Carlottas Erzählung war soweit stimmig. Es gab einige Telefone im Haus, aber derzeit keines im Wohnzimmer. Das nächsterreichbare Gerät befand sich neben der Treppe.
»Du bist völlig sicher, daß er das Zimmer nicht nach dir verlassen hat?«
»Professor Zamorra!« fuhr Carlotta auf. »Für wie blöde hältst du mich? Stell dich doch selbst mal da drüben an den Apparat. Du kannst es gar nicht übersehen, wenn jemand das Zimmer verläßt, selbst wenn du vom Telefonat abgelenkt bist. Und ich war ganz bestimmt nicht abgelenkt. Ich wollte ja gar nicht wissen, was dieser Waschmaschinenvertreter mir für Zeitungsabonnements andrehen wollte! Ich wollte nur ganz schnell ins Wohnzimmer zurück, um Ted endlich abknutschen zu können…«
»Du warst wirklich nicht an einem der anderen Telefone, vielleicht oben im Arbeits…«
»Wenn du weiter so fragst, kannst du gleich wieder gehen, und wir sind keine Freunde mehr«, protestierte
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