0639 - Merlins Zauberwald
heran«, sagte Yaga. »Sie lösen sich erst vom Zweig, wenn sie reif sind.«
»Außer, wenn man sie zu früh pflückt, wie es der rauchige Don Smoky bei mir getan hat. Deshalb muß ich jetzt nachreifen«, belehrte das ›Früchtchen‹ sie.
»Wer ist Don Smoky?« seufzte die Hexe. »Und warum hast du gesagt, ich wolle mein Ziel eigentlich gar nicht erreichen?«
»Weil du etwas ganz anderes tun willst«, erklärte das schwebende ›Früchtchen‹, das nicht mehr wild hin und her zuckte, sondern nun wieder ruhig vor Yagas Gesicht schwebte. Auf die erste Frage ging es nicht ein.
»Und was soll das sein? Was könnte wichtiger sein als meine Suche?«
»Mir zu helfen, eine richtige große Frucht zu werden«, erklärte das ›Früchtchen‹. »Indem du mich fütterst.«
»Dich füttern ?« Yaga lachte auf. »Eine Frucht füttern?«
»Füttere mich - spring einfach da rein«, verlangte das ›Früchtchen‹.
Der Mund öffnete sich.
Wurde zu einem Maul.
Zu einem blitzschnell anwachsenden riesigen Rachen, der jäh vorwärts schnellte und sich über die Hexe stülpen wollte.
Der Angriff kam für sie völlig überraschend. Sie schaffte es kaum, sich zu wehren. Mit beiden Händen griff sie nach den Kieferkanten und stieß sie kräftig zurück. Die handspannenlangen Zähne knallten laut aufeinander, verfehlten Yagas Kopf nur knapp. Die Hexe stürzte vom Ofen herunter. Sofort setzte das ›Früchtchen‹ nach, versuchte abermals, zuzuschnappen. Yaga rollte sich zur Seite. Die schnappenden Zähne schlossen sich um ein Grasbüschel und rissen es aus dem Boden.
Yaga fand ihre Fassung wieder. Spöttisch lachte sie auf. »Es geschieht nicht oft, daß jemand, der ins Gras beißt, weiterlebt…«
Das Gebilde, das hinter dem riesigen Maul kaum noch zu sehen war, spie das Grasbüschel verdrossen aus und attackierte Yaga sogleich wieder. »Wirst du wohl stehenbleiben und dich fressen lassen?«
Baba Yaga dachte gar nicht daran, dieser Forderung Folge zu leisten.
Sie setzte jetzt ihre Magie ein. Die Frucht wurde zurückgeschleudert. Der Rachen schloß sich. Irgendwie klackten die Zähne dabei so zusammen, daß sie sich ineinander verhakten.
»He, laß das!« fauchte das seltsame Geschöpf zwischen den Zähnen hervor. »Das ist nicht gut! Du mußt dich von mir fressen lassen. Es dient einem guten Zweck!«
Schließlich bekam es die Kiefer wieder frei.
Yaga riß die Feuerklappe des Ofens auf und griff in die Glut. Sie riß ein Stück heißer, rotglimmender Kohle hervor und schleuderte es direkt in den schon wieder weit aufgerissenen Riesenrachen hinein. »Na, wie gefällt dir das?« schrie sie. »Verschluck dich nicht daran!«
»Ganz bestimmt nicht!« versicherte das ›Früchtchen‹ schmatzend und kauend. Das Maul schrumpfte wieder auf normale Größe zusammen. »Danke, du hast mir sehr geholfen! Ich liebe dich, ich habe dich zum Fressen gern! Das muß ich alles gleich dem rauchigen Don Smoky erzählen…«
Wie ein Blitz zischte das Etwas davon, verschwand zwischen dem Laubwerk des Unterholzes.
Baba Yaga schüttelte den Kopf. Langsam schloß sie die Feuerluke wieder. »Was war denn das für ein Ding? Schnappt und frißt ein glühendes Kohlestück und freut sich noch darüber… na ja, das paßt wohl alles zu Merlins schräger Phantasie. Dieser ganze verdammte Zauberwald ist eine einzige Ausgeburt von Verrücktheiten! Hoffentlich kommt dieses… dieses Früchtchen nicht gleich wieder zurück und will noch mehr!«
Sie erklomm ihren Ofen wieder, nahm die Zügel auf und schnalzte mit der Zunge. Wie ein gehorsames Pferd stakste er sofort wieder los.
Baba Yaga ahnte, daß noch eine Menge ähnlicher Überraschungen auf sie warteten.
Und nicht jede Begegnung würde so relativ harmlos verlaufen…
***
Ted Ewigk schüttelte den Kopf. »Bist du verrückt geworden, Merlin?« stieß er hervor. »So brandeilig kann es doch wirklich nicht sein, daß ich Carlotta nicht wenigstens noch sagen kann, wo ich bin!«
»Vielleicht hätte sie versucht, dich von deinem Tun abzubringen«, sagte Merlin. »Deshalb nahm ich dich gleich mit hierher.«
»Komm mir nicht so, sonst kannst du's gleich wieder vergessen. Und spiel ausnahmsweise mal mit offenen Karten. Worum geht es?« Ted sah in die Runde. Da war ein junger blonder Mann im verblichenen Jeansanzug, und ein hübsches Mädchen in einem mit goldenen Pailletten besetzten Tanga und mit hüftlangem, goldenen Haar. Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken.
»Jetzt sind wir also zu viert«, stellte
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