064 - Die Orgie der Teufel
daß Hekate Ihnen den Tod schenken darf." „Wie edel Sie doch sind, Olivaro", meinte Dorian spöttisch. „Vielleicht ist Ihre Großzügigkeit jedoch nur auf Schwäche zurückzuführen."
„Sagte ich es nicht deutlich genug, daß Sie mich nicht herausfordern können, Dorian?"
„Ich kenne Ihre Doppelzüngigkeit, Olivaro, und mir ist klar, daß Sie Ihre Schwäche nicht zugeben werden", erwiderte Dorian. „Aber ich frage mich ernsthaft, was Sie hier zu suchen haben."
„Das ist leicht zu erklären." Olivaro setzte sich in Bewegung. Er ging gemessenen Schrittes an Dorian vorbei, der vergeblich versuchte, Olivaros zweites Gesicht unter der schlohweißen Mähne zu erkennen. Dorian schloß sich ihm an und begleitete ihn durch die Halle des Teufelstempels.
Olivaro fuhr fort: „Sie müssen sich gefragt haben, wie und warum Sie. hierher gebracht wurden. Selbst werden Sie die Antwort nicht gefunden haben, deshalb will ich sie Ihnen geben. Dieses Labyrinth ist die größte heidnische Kultstätte aus der Frühgeschichte der Erde. Zum besseren Verständnis sei auch noch erwähnt, daß dieser Ort mit der Ihnen bekannten keltischen Kultstätte Stonehenge magisch verbunden ist. Selbst die menschlichen Wissenschaftler haben erkannt, daß von Stonehenge aus eindrucksvoll zu beobachten ist, wann Sonne und Mond alle neunzehn Jahre eine bestimmte Stellung zueinander einnehmen. Die keltische Himmelsmagie spricht dann von einer besonders wirkungsvollen Konstellation. Und zu solch einer Konstellation ist es gekommen. Bessere Voraussetzungen für einen Krönungssabbat gibt es nicht. Deshalb hat Hekate diesen Zeitpunkt gewählt, um sich zur Herrin der Finsternis krönen zu lassen."
Dorian blieb vor Staunen der Mund offen. Er hatte zwar schon gerüchteweise gehört, daß Hekate Ambitionen hatte, Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen zu werden. Doch hatte er es näht für möglich gehalten, daß es tatsächlich dazu kommen würde.
Immerhin war Hekate keine reinblütige Hexe, sondern nur ein Wesen, das aus einer Pflanze hervorgegangen war - eine Alraune, die den dämonischen Lebensfunken erhalten hatte. Obwohl sie in die Sippe der Alkahests aufgenommen worden war, konnte sich Dorian nicht vorstellen, daß uralte Dämonen, die einer uralten Tradition verpflichtet waren, sie als Herrin der Finsternis akzeptieren würden.
Der Dämonenkiller lachte gezwungen.
„Diese Entwicklung kann mir nur recht sein. Hekate als Oberhaupt der Schwarzen Familie garantiert dafür, daß unter den Dämonen weiterhin Anarchie herrscht. Und das erleichtert mir mein Geschäft."
„Freuen Sie sich nicht zu früh", warnte Olivaro mit diabolischem Lächeln. „Abgesehen davon, daß Sie nicht lange genug leben werden, um irgendeinen Nutzen aus dieser Situation zu ziehen, herrscht - >dank Hekates Diplomatie - endlich wieder so etwas wie Einigkeit in der Schwarzen Familie. Natürlich stehen nicht alle Dämonen hinter ihr. Aber ich bin sicher, daß sie mit allen Schwierigkeiten fertig wird."
„Liegt da nicht Bitterkeit in Ihrer Stimme, Olivaro?" fragte Dorian. „Können Sie denn wirklich gleichgültig zusehen, wenn Hekate jenen Posten einnimmt, den Sie selbst einmal beansprucht haben? Das ist noch gar nicht so lange her. Es muß erniedrigend für Sie sein, als Zuschauer an diesem Sabbat teilzunehmen."
„Im Gegenteil, ganz im Gegenteil", erwiderte Olivaro. „Es wird ein erhebender Anblick sein, Sie sterben zu sehen. Diesmal gibt es für Sie keine Rettung, denn Sie selbst haben sich in diesen Teufelskreis manipuliert. Sie haben Ihr Schicksal besiegelt, als Sie an der Seance dieser lächerlichen Magischen Bruderschaft teilnahmen. Sie haben sich Hekate in die Hände gespielt. Denn die Seance fand in jenem Augenblick statt, als die Konstellation der Gestirne am günstigsten war. Es stimmte alles überein. Selbst ein Adept der Schwarzen Magie hätte in diesem Moment Ihr Schicksal bestimmen können."
Dorian war erschüttert. Er zweifelte nicht daran, daß Olivaro die Wahrheit sprach. Er erinnerte sich wieder der Worte von Thomas Becker. Dieser hatte gesagt, daß die Beschwörung des Geheimnisses nur zu einer bestimmten Zeit vorgenommen werden könnte.
Dorian glaubte aber nicht, daß die Magische Bruderschaft jene Konstellation abgewartet hatte, um ihn an Hekate auszuliefern. Es war eine unselige Fügung, daß er während der Seance in Hekates Gewalt geraten war. Die Hexe hatte geschickt gehandelt und sich dabei ihrer Gegner von der Magischen Bruderschaft
Weitere Kostenlose Bücher