064 - Friedhof der Ghouls
plötzlich auch wieder, daß ich nicht allein unterwegs gewesen war.
Boram hatte mich begleitet.
Jemand hatte mich mit einem Giftbolzen betäubt und hierher gebracht, wo immer das sein mochte. Wußte Boram davon? Wenn ja, würde er mich hier rausholen, darauf konnte ich mich verlassen.
Ehe Boram mich im Stich ließ, flossen alle Flüsse dieser Erde den Berg hinauf.
Ich setzte mich ächzend auf.
Wem war ich in die Hände gefallen? Hatte mich Russell Ayres erwischt?
Ich bekam eine ganz und gar ungewöhnliche Antwort auf meine unausgesprochene Frage. Ein lautes, unangenehmes Krächzen war es. Dieses Geräusch war eine Beleidigung für mein Ohr, dennoch war ich froh, es vernommen zu haben, denn es gab mir über vieles Aufschluß, und mir fiel ein eigenartiger Name dazu ein.
BASTARD!
Schlagartig wußte ich, wo ich mich befand und wer mich betäubt hatte: Der Parapsychologe Richard Shuck hatte mich gekidnappt und in seine Kellerwohnung gebracht. Das alles verriet mir der Rabe mit einem einzigen Krächzer.
Shuck, der Mann ohne Leben. Die Verkörperung der Langeweile. Er hatte das Temperament eines Toten, war aber verdammt lebendig, wie er auf einmal bewies.
Er hatte mir seine Hilfe angeboten, dieser Pharisäer, dabei hatte ihm nie der Sinn danach gestanden. Er wollte nicht, daß ich Russell Ayres unschädlich machte. Vielleicht steckte er mit dem Archäologen unter einer Decke. Es war durchaus denkbar, daß er Ayres vor Feinden abschirmte, was dieser ihm unter Umständen mit schwarzmagischer Hilfe dankte.
Verflucht, während ich hier herumlag, führte Ayres vielleicht schon seine nächste Greueltat aus, und ich konnte ihn nicht daran hindern.
Wütend versuchte ich meine Fesseln zu sprengen, doch das schaffte ich nicht. Ich schaute zu der Funzel hinauf.
Wenn es mir gelang, sie kaputtzuschlagen, konnte ich einen Glassplitter in die Hand bekommen, mit dem sich der Strick durchschneiden ließ.
Bastard machte sich wieder bemerkbar.
Und dann vernahm ich Schritte. Richard Shuck kam!
Er schien die Wirkung des Betäubungsmittels gut zu kennen und rechnete wahrscheinlich damit, daß ich mein Bewußtsein mittlerweile wiedererlangt hatte.
Die schäbige Tür meines engen Kerkers öffnete sich, und Shuck erschien.
Shuck, der großartigste Schauspieler, dem ich je begegnet war.
Der gelangweilte Ausdruck war aus seinem Blick verschwunden. Er sprühte förmlich vor Lebendigkeit und lachte mich aus. Dazu hatte er allen Grund. Ich befand mich in seiner Gewalt.
Zwei schwarze Katzen umschmeichelten seine Beine und starrten mich böse an. Ich mag Katzen, aber gegen diese hatte ich etwas.
»Gratuliere, Shuck!« sagte ich bissig. »Sie haben mich hervorragend getäuscht. Der lahmarschige Parapsychologe, der sich anscheinend für nichts begeistern kann, war eine Glanzleistung. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Sie könnten Ayres' Komplize sein.«
Anscheinend hatte ich soeben den Witz des Jahres gerissen, denn Richard Shuck schüttelte sich aus vor Lachen. Er mußte sich sogar den Bauch halten und hatte echte Tränen in den Augen.
»Sie sind köstlich, Mr. Ballard«, sagte er und mußte immer wieder zu lachen anfangen.
»Was amüsiert Sie so sehr?«
»Ich und Russell Ayres' Komplize. Etwas Erheiternderes habe ich noch nicht gehört.«
»Stimmt es etwa nicht?«
Shucks Gesicht wurde schlagartig ernst, und er starrte mich mit seinen dunklen Knopfaugen feindselig an.
»Ich hasse niemanden so sehr wie diesen Mann!« zischte er.
»Dann verstehe ich nicht, wieso Sie sich für ihn einsetzen!«
Der Parapsychologe grinste. »Verstehen Sie es wirklich nicht? Sind Sie so dumm, Mr. Ballard? Ich setze mich nicht für Ayres ein. Was ich tue, tu' ich für mich!«
Langsam verstand ich. Richard Shuck war scharf auf den Alabasterteufel! Ja, nur so konnte der Hase im Pfeffer liegen. Der Parapsychologe gierte nach der Höllenmacht, die Russell Ayres zur Verfügung stand.
Er wollte nicht, daß die wertvolle Figur zu Schaden kam.
Als ich meine Überlegung aussprach, bestätigte mir Richard Shuck jedes Wort. »Bravo, Ballard! Endlich haben Sie's erfaßt. Jetzt haben Sie den Durchblick. Es war ein Fehler, Ayres zu überreden, an den Ausgrabungen teilzunehmen. Ich dachte, ich könnte ihn nach dem Teufel suchen lassen und ihm die Figur später abnehmen, doch ich unterschätzte die Kraft, die Ayres auf Anhieb zur Verfügung stand. Das hätte mich fast das Leben gekostet. In meiner Wut zeigte ich ihn an. Ich wollte, daß man ihn einsperrt und
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