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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sie immer wieder darauf gewartet, daß eine erneute Zeitverschiebung stattfand, aber das war offenbar nicht geschehen.
    Sie mißtraute der Sache trotzdem; es konnte durchaus sein, daß es zu Schnitten kam, die sie gar nicht bemerkte, weil sie entweder zu kurz waren, oder die Übergänge so paßten, daß sie es einfach nicht feststellen konnte. Zum Beispiel ein Schnitt, der ihr Basteln am Schloß unterbrach, sie schlafen und wieder erwachen ließ, um dort zu enden, wo sie erneut am Schloß arbeitete, an der gleichen Stelle, an der sie aufgehört hatte -und alles, ohne daß sie von ihrer Schlafphase etwas wußte.
    Sie fragte sich, wieviel Zeit vergangen war, seit Niemand sie aus dem Fort verschleppt hatte. Es mußten Wochen sein. Denn sie konnte weder sagen, wie lange der Ritt gedauert hatte, noch, wie lange sie sich jetzt schon auf See befand.
    Warum hatte Niemand sie nicht in den Hafen in der Nähe des Forts gebracht, um dort ein Schiff zu besteigen? Die Einschiffung mußte weit entfernt in einem Hafen stattgefunden haben, der möglicherweise Tausende von Meilen weiter im Norden an der Ostküste lag. Dort, wo die Engländer ihre Kolonien einrichteten, vielleicht…?
    Eine weitere, immer noch unbeantwortete Frage lautete: Warum das alles?
    Was war der Grund für diese Entführung?
    Je weiter Niemand sie fortbrachte, desto rätselhafter wurde alles.
    Immerhin, es gelang ihr, das Schloß zu entriegeln. Sie zog die Tür auf und sorgte sofort dafür, daß sie auf keinen Fall mehr verriegelt werden konnte. Selbst wenn der Schlüssel herumgedreht wurde, würde die Schließzunge künftig nicht mehr richtig in der Schloßfalle landen. Während Eva mit dem rostigen Nagel am Schloß arbeitete, hatte sie Zeit genug gehabt, sich eine entsprechende kleine Hilfe auszudenken. Wenn man sie jetzt wieder einsperren wollte, mußte man sie schon in einer anderen Kabine unterbringen.
    Sie trat auf den dunklen Korridor hinaus. Hier gab es kaum Licht. Das schien den Ratten zu gefallen, die über die Planken huschten und sich mit kurzen Pfeiflauten verständigten. Eva zog die Tür hinter sich ins Schloß, damit keines der Biester in ihre Kabine eindrang.
    Falls es da nicht ohnehin irgendwelche Schlupflöcher gab, die sie selbst nur noch nicht bemerkt hatte…
    Wohin jetzt in der Dunkelheit? Mit dem Schließen der Tür war auch der letzte Lichtschimmer in diesem Gang verschwunden.
    Das Schiff schaukelte jetzt nicht mehr so stark wie zu Anfang. Die See schien ruhiger geworden sein. Immerhin war Eva froh, daß sie es bisher ertragen hatte, ohne seekrank zu werden. Sie hatte von Menschen gehört, die mit dem ständigen Schwanken überhaupt nicht zurecht kamen. Offenbar gehörte sie selbst nicht zu ihnen.
    Sie wandte sich nach links.
    Und stand plötzlich auf dem grauen Friedhof.
    Die Dunkelheit! durchfuhr es sie. Es ist, als würde ich die Augen schließen! Ich sehe den Friedhof, weil es nichts anderes gibt, was ich sehen kann!
    Sie sah wieder die verwitterten Grabsteine, und sie sah sich selbst wieder aus einer ihr fremden Perspektive. Diesmal konnte sie schon mehr Einzelheiten erkennen. War das eine Art dünnes Kleid, das sie trug? Oder eher… ein Totenhemd?
    Sie schloß die Augen…
    ...und sah den Schiffskorridor!
    »Das gibt's doch nicht!« stöhnte sie auf. Augen auf - der Friedhof, der nun von Sekunde zu Sekunde deutlicher wurde. Augen zu - die reale Umgebung, in welcher sie sich befand!
    »Ich glaub's nicht…«
    Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als das zu glauben. Und jetzt hielt sie die Augen geschlossen, weil sie an dem Abbild des nebelgrauen, verlassenen Friedhofs nicht interessiert war, über den sie sich in diesem dünnen weißen Kleidungsstück bewegte wie in einem Gruselfilm.
    Mit geschlossenen Augen konnte sie sich in dem eigentlich finsteren Gang orientieren!
    Sie sah, daß sie falsch ging. Sie mußte nach rechts. Dort gab es eine Treppe, die nach oben führte und unter einer geschlossenen Luke endete.
    Eva hastete darauf zu. Kletterte die ersten Stufen hinauf, tastete nach der Luke und versuchte sie zu öffnen.
    Das Ding saß fest!
    Auch verriegelt?
    »Mist, verdammter!« entfuhr es ihr. Auf der Stiege drehte sie sich, machte einen Katzenbuckel und stemmte sich, höher steigend, mit aller Körperkraft gegen die Luke, die plötzlich hochklappte. Im gleichen Moment mußte Eva die Augen wieder öffnen, weil jetzt von draußen Licht kam, sie bei geschlossenen Lidern aber plötzlich wieder den Friedhof sah.
    »Verdammt

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