0642 - Voodoo-Man
und sah verwirrt von einem zum anderen. Er mußte die veränderte Situation erst einmal begreifen. Das dauerte. Zombies gaben zwar hervorragende Diener ab, weil sie willenlos jeden Befehl ausführten, waren aber gleichzeitig auch nicht sehr flexibel. Da ihre Gehirne nur noch im untersten Bereich funktionierten, konnten sie kaum Entscheidungen treffen und kannten keine Eigeninitiative.
Nicole näherte sich vorsichtig dem Untoten und versuchte, hinter ihn zu gelangen, während Zamorra ihn von vorne ablenkte.
Unsicher drehte sich der Zombie von einem zum anderen und traf überraschend doch eine Entscheidung.
Mit einem lauten Knurren stürzte er sich auf Nicole. Die wich ohne Schwierigkeiten aus, ließ ihn an sich vorbei und trat ihm von hinten in die Kniekehle. Der Untote ging zu Boden. Nicole warf sich auf ihn und drückte seine Arme und Beine fest in den weichen Boden. In der gleichen Sekunde erreichte Zamorra sie. Er ging vor dem Untoten in die Knie, faßte seinen Kopf und brach ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick.
Der Zombie erschlaffte. Nicole erhob sich und sah zu, wie Zamorra ihn auf den Rücken drehte und seine Augen schloß.
»Du bist befreit. Kehre zurück in dein Grab«, sagte er leise.
Dann stand auch er auf.
»Es gefällt mir nicht, daß wir schon so weit vor dem Dorf auf Zombies stoßen«, gab Nicole zu bedenken. »Vielleicht ist Sinistre mächtiger als wir denken.«
Unwillkürlich griff Zamorra nach der Stelle, wo sich normalerweise das Amulett unter seinem Hemd befand. Das lag momentan jedoch im Hotelsafe in King George. Er ließ die Hand wieder sinken. Es war schon merkwürdig, wie sehr er sich an die Metallscheibe und ihren mächtigen magischen Schutz gewöhnt hatte. Das Amulett hätte sie zwar nicht vor dem Autounfall schützen können, aber den Zombie hätte es schneller und ästhetischer erledigt. Er schüttelte den Gedanken ab. Je mehr er sich daran erinnerte, wie einfach alles mit dem Amulett war, desto schwerer würde es ohne werden.
»Vielleicht ist er mächtiger als wir denken«, stimmte er zu. »Aber zumindest weiß er nicht, daß wir ihm schon so nah sind.«
Als sie sich nach Bartes aufmachten, bemerkten beide nicht, daß sie beobachtet wurden.
***
Der Zombie, der den strikten Auftrag bekommen hatte, die Straße zu beobachten, ohne einzugreifen, sandte das Bild der beiden Fremden an seinen Herrn. Das war kein gesteuerter Impuls, den er aus freien Stücken unternahm, sondern eine simple Fähigkeit, die Sinistre ihm übertragen hatte.
Der dunkle König unterbrach das Ritual kurz, betrachtete das Bild der beiden Weißen und sandte seinen Geist aus, um nach der Quelle der Magie zu suchen. Die befand sich immer noch in King George, es gab also keinen Grund zur Besorgnis.
»Touristen«, dachte er verächtlich und löschte das Bild der Fremden aus seinen Gedanken.
Daß einer seiner anderen Untoten vernichtet worden war, konnte er nicht bemerken, denn dazu hätte er mit allen Zombies in geistigem Kontakt stehen müssen, und das hätte selbst seine Kräfte gesprengt. Eine Aura hatten Zombies nicht; die war mit dem Tod ihres Bewußtseins vergangen.
Also kehrte er ahnungslos zu seinem Ritual zurück.
Nur in seinem Unterbewußtsein hielt sich der hartnäckige Gedanke, daß der Mann ihm bekannt vorkam…
***
Sie brauchten weniger als eine halbe Stunde, um das Dorf zu erreichen, das sich von einer wenig charmanten Seite präsentierte. Nicole blieb vor dem verrosteten Ortseingangsschild stehen, auf dem es hieß, sie hätten jetzt »Bartes« erreicht. Dahinter verlief die Lehmstraße ein Stück weiter und mündete schließlich in einen Platz mit einem steinernen Brunnen. Von dem Platz führten verschiedene Feldwege, die mit Glück gerade eben mit einem Wagen passierbar waren, in verschiedene Richtungen. Die aus Holz und Lehm gefertigten Häuser drängten sich um den Marktplatz und entlang der Straße. Hinter ihnen sah man kleine Äcker oder Gemüsegärten. Die einzige Ausnahme in der Ansammlung eingeschossiger Hütten war ein steinernes, zweistöckiges Haus, daß sich am Kopfende des Marktplatzes erhob. Es sah aus, als habe sich früher einmal ein Warenlager darin befunden. Danach schien es mehrfach den Besitzer gewechselt zu haben. Einige verwitterte Buchstaben hatten dem Zahn der Zeit noch standgehalten. Metropol, entzifferte Zamorra. Direkt darunter hatte jemand ein hölzernes Schild angebracht und mit Farbe den Namen »Café Chez Marie« darauf gepinselt.
»Ist doch typisch«,
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