0647 - Hexenzauber
könnte?«
»Möglich, doch zunächst nicht.«
»Ja, gut, ich…« Erst nach diesen Worten kam Strenger zu Bewusstsein, was die Person da gesagt hatte. Es war die Antwort einer Frau gewesen, die Bescheid wusste. Verdammt gut sogar. Strenger schoss das Blut ins Gesicht. Es nahm eine noch rotere Farbe an. Sein Magen drückte plötzlich, er hatte Schwierigkeiten mit der Luft und wollte die nächste Frage stellen, als er merkte, dass die Person nicht mehr da war.
So rasch, wie sie erschienen war, so schnell war sie auch verschwunden. Aufgelöst - weg…
»He«, keuchte er, »he, ich hab das doch nicht geträumt. Das - das kann nicht wahr sein…«
Sie stand nicht mehr vor ihm, und sie war auch nicht hinter ihm. Er befand sich allein auf dem Weg, beschienen von den schon grausam heißen Strahlen der Sonne.
»Das - das darf doch nicht wahr sein!«, keuchte er. »Das ist einfach verrückt. Ich habe doch keinen Sonnenstich.« Er schüttelte den Kopf, blickte sich noch einmal um und stieg dann wieder in den Sattel. Er wollte so schnell wie möglich weg. Das Aussehen der Frau hatte er sich genau eingeprägt.
Auch wenn er sich lächerlich machte, er wollte dafür sorgen, dass eine Fahndung angekurbelt wurde.
Der Polizist überquerte die normale Bundesstraße, die er ebenfalls hätte nehmen können. Er aber hatte sich für eine Abkürzung entschieden. Zwar war sie mühsamer zu fahren, aber er sparte trotzdem Zeit.
Sein Job war eigentlich beschaulich gewesen. Er hatte zu den Menschen gehört, die man dank ihres Berufes akzeptierte, deren Worte noch Gewicht hatten, wenn sie etwas sagten. Das alles zählte nicht mehr. Für Strenger war die Welt eine andere geworden, erst recht mit dem Auftauchen dieser unheimlichen Erscheinung.
Wer war diese Person?
Einen Namen hatte sie nicht gesagt, angeblich gehörte sie auch nicht zu der Gruppe im Heidekrug.
Sie war blond, hübsch, hatte sicherlich eine tolle Figur unter dem weit geschnittenen Kleid und würde ihre Wirkung auf Männer bestimmt nicht verfehlen.
Drei Personen waren vermisst. Drei Männer, noch jung, die möglicherweise auch dieser Frau begegnet waren.
Je länger Heinz Strenger darüber nachdachte, um so sicherer war er, den Schlüssel zum Verschwinden der Männer gefunden zu haben. Er musste nur auf der Spur bleiben, vorausgesetzt, er fand sie wieder.
Der Drahtesel schaukelte über die Wellen und Unebenheiten des Bodens hinweg. Das Fahren wurde zur Quälerei. Es hatte seit einigen Tagen nicht mehr geregnet, der Heideboden, sowieso sehr sandig, zeigte sich von seiner staubigsten und trockensten Seite. Auch beim Fahren wühlten die Reifen den Staub hoch.
Wenn er nach vorn schaute und sich sein Blick mal für Sekunden klärte, sah er bereits die Häuser der kleinen Ortschaft. Die Sonne schien auf die roten Dächer, und der Kirchturm schaute wie ein Wächter über alles andere hinweg.
Ein idyllischer Fleck, der immer mehr großstadtmüde Menschen anzog.
Die Heide roch. Trotz der großen Hitze nahm der Polizist die Düfte wahr, die ihn umschwebten. Sie stammten von den Bodendeckern, Gewächsen, die auch in der Medizin Verwendung fanden.
Manchmal wirkten die Büsche wie gewaltige Blumensträuße, die nach oben hin auseinander fächerten. Zumeist zeigten sie dunkle Farben. Angefangen bei einem satten Grün bis zu einem braunen Farbton.
Es war ein schönes Gebiet, wie Strenger fand, trotz der schon mörderischen Hitze.
Die verschwand plötzlich, wie vom Blitz zerstört. Strenger konnte soeben noch den Rücktritt einlegen und anhalten, dann hatte ihn die eisige Kälte schon erwischt.
Wie Panzerplatten umgab sie seinen Körper und ließ auch das Gesicht nicht aus, dessen Haut von Eishänden berührt wurde.
Strenger wollte weg, doch er kam nicht aus dem Sattel. Er saß auf dem Rad, die Beine auf dem Boden und hörte hinter sich ein leises Lachen und dann die sanfte Frauenstimme, die allerdings eine furchtbare Drohung aussprach.
»Du bist zu neugierig, kleiner Polizist. Zu neugierig. Du stellst dich gegen mich, deshalb wirst du sterben…«
Er wollte sprechen, doch es ging nicht. Die eisigen Hände hielten längst seine Kehle umklammert und drückten sie zusammen. Auch auf dem Rücken lag der Eispanzer. Die Arme und Beine waren ebenso eingefroren wie der gesamte Körper.
Am schlimmsten war der Druck am Hals. Er raubte Strenger die Luft. In seinem Gehirn aber explodierten die Gedanken, und er dachte noch daran, dass er mit seinem Verdacht richtig gelegen
Weitere Kostenlose Bücher