0648 - Die Stunde des Ghouls
das Kinn auf die Hände gestützt. Angelique zeigte sich noch nicht wieder. Aber immerhin hatte sie die Tür ihres Zimmers wieder aufgeschlossen, so daß Nicole sich zu ihr gesellen und mit ihr reden konnte, um die Wogen wieder zu glätten.
Daß sie direkt in einen Familienstreit hineingeraten würden - wer hätte das ahnen können? Und daß Ombre einen Ghoul in der Kellerwohnung gefangenhielt - wer hätte das ahnen können?
Zufall?
Daran wollte Zamorra nicht glauben. Er war sicher, daß es einen Zusammenhang gab. Spätestens seit dem Moment, in dem Ombre El Palmito erwähnte.
»Ghouls, die einen Friedhof verwüstet haben sollen. Es gibt einen Zeitungsbericht darüber«, murmelte der Parapsychologe.
»So, gibt es den? Dann bist du also hinter der selben Sache her wie ich?«
»Vielleicht«, räumte Zamorra ein. »Was ist mit deinem Ghoul? Wenn er zu den anderen gehört, wieso ist er hier? Hast du ihn aus Mexiko entführt?«
»Aus einer Hafenspelunke habe ich ihn entführt, nachdem er die halbe Stadt nach mir befragt hat.« Das war sicher übertrieben, aber in der Hafengegend kannte man Ombre. Daher war es nur logisch, dort nach ihm zu fragen, wenn man ihn suchte.
»Ausgerechnet ein Ghoul fragt nach dir?« staunte Zamorra. »Weshalb?«
»Weil er mir erzählen wollte, wo ich gerade jetzt Lucifuge Rofocale finden kann. Das Oberhaupt des Ghoul-Clans, zu dem dieses kleine Miststück gehört, will, daß ich Lucifuge Rofocale schnellstmöglich umbringe. Komisch, nicht?«
»Du selbst willst das doch auch, Yves…«
Cascal nickte. »Natürlich will ich das. Aber nicht als Handlanger eines anderen Dämons. Aber dieses feige Stück Schleim auf Beinen wird mich nach El Palmito führen, wird mich zu den anderen Ghouls bringen. Die mache ich fertig. Danach kümmere ich mich um Lucifuge Rofocale.«
»Warum nicht in umgekehrter Reihenfolge?«
»Weil ich allen zeigen will, daß ich mich nicht vor jemandes Karren spannen lasse. Ombre ist kein Vollstreckungsgehilfe. Wenn der Oberghoul will, daß ich Lucifuge Rofocale töte, verspricht er sich einen Vorteil davon. Ich denke nicht daran, ihm diesen Vorteil zu gewähren.«
»An der Geschichte ist was faul«, sagte Zamorra. »Wieso haben so viele Ghouls sich an einem bestimmten Ort versammelt? In einem so kleinen Nest? Das muß doch einen Sinn haben.«
»Ich denke, sie haben ihre magischen Kräfte gebündelt und auf ›meinen‹ Ghoul projiziert«, vermutete Cascal. »Vielleicht, um ihn zu schützen und zu tarnen. Immerhin habe ich tatsächlich nicht sofort gemerkt, wer er ist - das Amulett sprach anfangs nicht richtig auf ihn an.«
»Das haben die Amulette so an sich, daß sie nicht mehr hundertprozentig zuverlässig funktionieren«, sagte Zamorra. »Seit damals, als aus meinem Taran und aus deinem Shirona entstand. Die beiden künstlichen Geschöpfe aus Amulett-Energie…« [2]
»Ich glaube nicht, daß es das ist. Es ist eher eine Störung durch die geballte Kraft der anderen Ghouls«, vermutete Cascal. Zamorra nickte langsam. Es sah so aus, als habe Yves zumindest einen Teil seiner Lektionen tatsächlich gründlich gelernt. Er hatte sich in die Materie wesentlich rascher eingearbeitet als seinerzeit Zamorra selbst, nachdem er erstmals mit echten magischen Phänomenen konfrontiert wurde, die er bis dahin als Parapsychologe nur aus der Theorie heraus gekannt hatte.
»Die Zeitungsmeldung war also keine Ente«, sagte Zamorra. »Es gibt diese Ghouls in Mexiko tatsächlich.«
»Ihr seid hier, um sie auszuräuchern? Ihr wollt von hier aus nach Mexiko fliegen?«
Zamorra nickte.
»Dann haben wir den gleichen Weg«, sagte Ombre. »Ich hätte nichts dagegen, mich euch anzuschließen.«
Der Parapsychologe lächelte. Natürlich hoffte Ombre darauf, daß Zamorra die Reisekosten für ihn übernahm. Warum auch nicht; schließlich war Cascal alles andere als mit Reichtümern gesegnet.
»Was ist mit Lucifuge Rofocale?«
»Ich hätte nichts dagegen, wenn ihr euch mir anschließen würdet«, sagte der Rächer.
»Wir werden sehen«, sagte Zamorra. »Unterschätze den alten Kahlkopf nicht. Dieser Teufel ist gefährlicher, als mancher meint. Du hast schon eine Lektion von ihm erhalten. Er hätte dich umgebracht, wenn…«
»… wenn du nicht dagewesen wärst, Zamorra«, sagte Ombre. Es klang weder dankbar noch irgendwie resignierend. »Ich weiß es zu schätzen, daß du mir das Leben gerettet hast. Gerade deshalb hoffe ich auf deine Unterstützung.«
»Wir werden sehen«, sagte
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