0648 - Die Stunde des Ghouls
hatte sich erwärmt. Es warnte vor Schwarzer Magie.
Unwillkürlich griff er unter die Jacke. Dort trug er am Gürtel die Magnetplatte mit dem E-Blaster. Er setzte die Reisetasche leise ab und schaltete die Strahlwaffe auf »Betäubung«.
Nicole wollte ebenfalls nach ihrer Waffe greifen - aber die befand sich samt Gürtel in der Reisetasche; an ihrem Kleid hätte das doch recht eigenwillig ausgesehen, wie Nicole es formuliert hatte.
»Paß auf«, flüsterte sie.
Zamorras freie Hand berührte den Türgriff.
Von drinnen erklangen plötzlich Stimmen. Es hörte sich nach einem Streit an.
Zamorra stellte fest, daß die Tür nicht verriegelt war, und öffnete sie vorsichtig. Lautlos schwang sie nach innen auf.
Im nächsten Moment war er mit einem weiten Sprung drinnen, in der kleinen Wohnküche direkt hinter der Tür, die Waffe schußbereit.
Und entging um Haaresbreite einer wild geschwungenen Bratpfanne.
***
»Zamorra!« stieß Angelique hervor. »Verdammt, kannst du nicht klingeln wie jeder anständige Mensch? Mußt du hier hereingepoltert kommen wie die Polizei, die Steuerfahndung oder die Mafia?«
»Gefahr«, sagte Zamorra hastig. »Hier ist Schwarze Magie!«
»Weiß ich!« fauchte die Kreolin, die der zweiten Ehe ihres Vaters entstammte. »Hat dieser Idiot hierhergeschleppt!« Sie schwenkte die Pfanne wieder, diesmal aber nicht als Waffe, sondern als Zeige-Instrument, mit dem sie in Richtung ihres Bruders Yves wies - aus der ersten Ehe ihres gemeinsamen Vaters.
Der gestorben war, als Yves 13 Jahre zählte; Angelique hatte schon keine bewußte Erinnerung mehr an ihre Eltern. Damals war sie gerade ein Jahr alt gewesen, und der Junge Yves hatte die Rolle des Familienoberhauptes übernommen und für seine jüngeren Geschwister Maurice und Angelique gesorgt.
Jetzt war Maurice auch schon seit einigen Jahren tot.
Ermordet von dem Erzdämon Lucifuge Rofocale.
Damals hatte Yves dem Dämon Rache geschworen, und er würde nicht eher ruhen, bis einer von ihnen tot war.
Einst hatte Yves Magie abgelehnt, sich regelrecht dagegen gewehrt, aber ein unbarmherziges Schicksal, das ihm das sechste der sieben Amulette aufzwang, die der Zauberer Merlin einst geschaffen hatte, brachte ihn immer wieder in Konfrontation mit Dämonen und magischen Geschehnissen. So war er auch auf Zamorra und seine Gefährten gestoßen. Er hatte nie dazugehören wollen, er hatte oft versucht, das Amulett loszuwerden, doch es war immer wieder zu ihm zurückgekehrt.
Das zweitstärkste der sieben Amulette ausgerechnet zu ihm, dem kleinen Gauner!
Er war der Schatten. Er schlich durch die Nacht. Mit Gelegenheitsarbeiten oder auch anderen Aktionen am Rande der Legalität - oft genug am anderen Rand - bemühte er sich, die kleine Familie über Wasser zu halten. Seltsamerweise bewirkte alles, was er an Negativem tat, immer noch irgend etwas Positives - der Extremfall war, daß er einem Manager der Tendyke Industries das Auto geklaut und damit verhindert hatte, daß dieser Opfer eines Bombenanschlags wurde; Ombre selbst war der Explosion des Wagens im allerletzten Moment entkommen. Seither bemühte sich jener Manager, Ombre zu helfen.
Doch Ombre hatte sich längst schon mit seiner Situation arrangiert. Und inzwischen war ihm schon gar nicht mehr daran gelegen, endlich einen festen Job zu bekommen, der ihm ein geregeltes Einkommen verschaffte - er benötigte Freiraum. Er mußte flexibel und mobil sein, um Lucifuge Rofocale zu erwischen und hinzurichten.
Ombre hatte sich verändert.
Er war nicht mehr der beinahe sorglose Taschendieb von einst. Er war ein eiskalter Rächer geworden. Er lehnte Magie nicht mehr ab, sondern befaßte sich intensiv damit. Er hatte sehr viel von Zamorra gelernt. Dem gefiel allerdings der Weg nicht, den Ombre jetzt eingeschlagen hatte. Yves Cascal war eiskalt und skrupellos geworden, wenn es seinen Zielen nützte; er kannte keine Rücksicht mehr. Er hatte seinen Bruder geliebt, und der Verlust hatte sein Herz verhärtet.
Wo Zamorra noch Grauzonen sah und respektierte, unterschied Ombre nur noch zwischen Schwarz und Weiß.
Dämon oder Mensch, Gut oder Böse.
Er hatte gelernt zu töten.
Und während er darauf wartete, Lucifuge Rofocale endlich vor den Ju-Ju-Stab zu bekommen, jene Waffe, die eigentlich einmal Zamorra gehört hatte und die jeden echten Dämon unweigerlich tötete, erlegte er auch andere Dämonen und ihre Helfer, wenn sie seinen Weg kreuzten.
Jetzt sah Zamorra Yves Cascal an, der im Hintergrund des Zimmers
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