0649 - Der Junge von Stonehenge
auch nicht auf deine Frau verlassen. Schau jetzt sehr genau hin, dann wirst du sehen, was ich tat.«
Conrad war noch etwas durcheinander. »Meinst du das Fenster dort oben?«
Der Junge nickte. »Das Schlafzimmer.«
Frank spürte den Schauer. Etwas würgte ihn. Er traute sich nicht, den Kopf zu heben, aber er sah Tims Lächeln. Es sah aus, als würde Eis in seinen Mundwinkeln kleben.
»Mach schon! Was hindert dich daran?«
»Du… du hast sie doch nicht getötet - oder?« Er sprang hoch. »Sag, dass du sie nicht getötet hast, verdammt!«
»Keine Sorge, sie lebt. Wie lange, das allerdings liegt nicht allein in meiner Hand. Dazu müsstest auch du beitragen, mein Lieber. Aber sieh es dir an.«
Wenn es möglich gewesen wäre, Conrad hätte diesen Jungen erwürgt.
Das war kein Kind mehr, obwohl Tim so aussah wie einer, der gerade die Pubertät erreicht hatte. Diese Person hatte es faustdick hinter den Ohren und besaß ein immenses Wissen.
Die Pflanzen waren erst vor kurzem beschnitten worden, so dass sie nicht mehr bis vor die Scheibe wuchsen. Frank Conrad konnte das Viereck gut erkennen und auch die Scheibe, die sich zu bewegen schien und einen ungewöhnlichen rotgrünen Schimmer bekommen hatte.
Wie das Feuer!
Genau das war es, ja, das musste es sein. Frank Conrad spürte die Speerspitze, die durch seinen Körper raste. Wenn ein Herz zerriss, musste der Betreffende ähnliches fühlen.
Conrad erkannte seine Stimme kaum wieder. Im Schlafzimmer loderte das Feuer, und seine Frau befand sich dort. Er konnte es einfach nicht fassen. »Nein!« keuchte er. »Nein und verdammt noch mal nein. Das kann einfach nicht wahr sein.«
Tim trat nah an ihn heran. Er spürte die Berührung des Jungen. Dessen Hand kam ihm hart wie Stein vor. »Es ist wahr, mein Freund. Aber es ist nicht weiter schlimm. Du hast selbst gesehen, wie deine Frau auf dem Stuhl hockte und von Flammen umlodert wurde. Sie ist am Leben geblieben, und sie wird auch weiterhin am Leben bleiben, wenn du genau das tust, was ich von dir verlange.«
Frank Conrad konnte nicht mehr hinschauen und kreiselte herum.
»Wenn du das tust, dann…«
»Was ist dann?« fragte Tim kalt. Der Kopf lag schief, das Lächeln blieb auf seinen Lippen. »Willst du mich töten? Das hat man schon einmal versucht, und es ist nicht gelungen. Ich will nicht behaupten, dass ich unsterblich bin, aber es wird dir kaum gelingen, mich zu vernichten. Umgekehrt geht es leichter. Auch bei Helen, glaub mir…«
Dr. Conrad senkte den Kopf. Er hätte sich am liebsten in den Boden verkrochen, aber das brachte ihm nichts. Er musste den Tatsachen ins Auge sehen, auch wenn sie noch so grausam waren und ihn erwischten wie brutale Peitschenhiebe.
»Das Feuer wird so lange brennen, wie ich es will. Und glaube mir, es kommt auf dich an, ganz allein auf dich!«
»Ich… ich weiß.«
»Las uns gehen.«
Conrad wankte zurück. Sein Gesicht sah aus, als hätte er Essig getrunken. »Gehen, sagst du?«
»Ja, zu den Steinen. Wir werden dort eine besondere Nacht verbringen, das kann ich dir versprechen.«
»Das geht nicht. Wir brauchen…«
»Keinen Wagen, kein Flugzeug. Du siehst, ich bin über alles informiert, was in deiner Welt läuft. Wir brauchen nur mich und meine ungewöhnlichen Fähigkeiten.«
Bevor Conrad sich versah, hatte ihn der Junge an die Hand genommen.
Der Wissenschaftler spürte noch den Stromstoß, so jedenfalls kam es ihm vor, und dann verschwanden das Haus und der Garten vor seinen Augen wie ausradiert…
***
Mit dem Rover war ich durch die Londoner Sauna gefahren, die eine grelle Sonne geschaffen hatte. Ich hatte mich durch die City gequält in Richtung Hampstaed, der Verkehr war dort dünner geworden, auch die Beschaffenheit der Luft hatte sich gebessert.
Ich musste nachschauen, wo dieser Dr. Conrad wohnte. An einer Telefonzelle stoppte ich und rief bei ihm an.
Es meldete sich niemand.
Schwitzend und sichtlich frustriert verließ ich die Zelle. Allmählich kam ich mir vor wie ein Kaspar, der an der langen Leine eines Halbwüchsigen lief, wobei dieser Knabe mit mir machen konnte, was er wollte, denn ich lief immer hinterher.
Kaum hatte ich mir den Schweiß vom Gesicht gewischt, quoll er erneut aus allen Poren! Laut Stadtplan musste ich in Richtung Hampstaed Heath fahren, einer großen Grünfläche, die wie eine grüne Lunge inmitten des Stadtteils lag.
An der Südwestseite des Parks rollte ich entlang. Wer eben konnte, hatte freigenommen, lag im Park in der Sonne oder
Weitere Kostenlose Bücher