0649 - Der Junge von Stonehenge
versprechen.«
Ich glaubte ihm jedes Wort, aber ich wollte, verdammt noch mal, wieder nach Luft schnappen und rutschte mit den Knien über den weichen, saftigen Grasboden.
Tim weidete sich an meinen Qualen. Was der Eiserne und Frank Conrad taten, konnte ich nicht erkennen, aber sie waren einfach zu schwach, um das Steuer zu drehen.
Dann lockerte er den Druck, damit ich reden konnte. Das Bild auf der Platte hatte sich wieder verändert, war aber ein matter Spiegel geblieben, der mir einen Blick in das andere Land gestattete.
Ich konnte dort Gestalten erkennen. Unter ihnen einen alten, bärtigen Mann in einem hellen Gewand. Dessen Gesicht schaute kalt aus der Fläche hervor. Dann veränderte es sich, nahm einen grünen Schein an und wurde zu einer Fratze, die mir den gefährlichen Druiden Guywano sehr deutlich zeigte.
Er regierte also im Hintergrund. Im Gegensatz zu damals hatte sich nichts verändert.
Tim genoss seinen Triumph. »So habe ich es mir schon als Knappe gewünscht, meinen Herrn auf den Knien zu sehen, John Sinclair. Damals ist es für mich leider ein Traum geblieben, aber heute nicht mehr, denn nun bin ich der Herr.«
»Ach ja?« Ich konnte die Antwort nur hervorwürgen. »Man kann die alten Zeiten nicht mehr zurückholen, Tim. Das ist einfach unmöglich, und daran solltest du dich halten.«
»Ich werde es können. Hector de Valois, dem mein gesamter Hass galt, ist in dir wiedergeboren worden. Auch er hat das Kreuz besessen, und es öffnete ihm so manche Wege, die mir verschlossen blieben. Er hat den Gral nicht bekommen, Sinclair, aber du besitzt ihn…«
»Das stimmt.«
»Und du wirst ihn mir geben. Oder du wirst auf die gleiche Art und Weise ums Leben kommen wie ich damals.« Zur Unterstreichung seiner Drohung drehte er die Garrotte etwas fester zu, so dass ich den wahnsinnigen Schmerz spürte, der meinen Hals durchtoste und den ganzen Körper erfasste.
Danach lockerte er die Schlinge und erkundigte sich nach meiner Antwort.
»Ich… ich kann dir den Gral nicht geben.«
»Nein?« höhnte er. »Warum nicht?«
»Er ist nicht hier.«
»Das weiß ich. Aber er kann geholt werden, John. Ja, er kann hergebracht werden.«
»Gut, ich werde gehen und ihn…«
»Nein, nicht du.« Tim warf den Kopf zurück. Sein Gesicht tauchte ein in einen feuerroten Sonnenstrahl, der seinen Weg durch eine Lücke gefunden hatte und sein Gesicht fast in Flammen setzte. »Du wirst nichts machen, denn du bist meine Geisel. Es gibt noch andere, die über den Gral Bescheid wissen.«
»Suko, aber…«
»Der Eiserne Engel!« sprach Tim in meine Worte hinein. »Er ist informiert. Warum habe ich ihn wohl am Leben gelassen? Ich hätte ihm nicht nur einen Teil seiner Kräfte nehmen können, sondern ihn zerstören sollen. Aber ich wollte, dass er für mich etwas tut. Habe ich dir nicht gesagt, dass ich die Steine beherrsche? Und nicht nur die hier in Stonehenge. Auch deine beiden Verbündeten bei den Flammenden Steinen haben erkennen müssen, dass ich stärker bin als ihr Refugium. Sie werden in Zukunft nur mir gehorchen und zu dem Teil Aibons gehören, in dem Guywano herrscht. Genug geredet. Der Eiserne wird sich auf den Weg machen und den Dunklen Gral holen.« Die nächsten Worte richtete er an Frank Conrad. »Wenn ich den Gral besitze, wird auch deine Frau wieder freikommen, das ist ein Versprechen. Du bist nur eine Figur gewesen, ich brauche euch nicht mehr.« Kniend drehte er den Kopf. »Verschwinde endlich, Engel.«
Es war für den Eisernen nicht leicht, sich zu erheben. Beim ersten Versuch kippte er zur Seite. Er blieb auf dem Bauch liegen, stemmte sich etwas höher und kroch dann wie ein angeschossenes Tier über den Boden.
Meine Lage war prekär, aber gleichzeitig empfand ich es als schlimm, den Eisernen, diese mächtige Gestalt, so kraftlos sehen zu müssen. Er bewegte sich hinein in die dunkelroten Sonnenstrahlen, die einen Teppich aus Feuer über das Gras gelegt hatten. Je weiter er kroch, um so mehr schien er an Kraft zu gewinnen. Das lag wohl nicht an den Strahlen der Sonne, Tim sorgte dafür.
Er hatte seinen Spaß daran, dem Eisernen ebenfalls zuschauen zu können. »Reiß dich zusammen, Kämpfer. Du weißt, dass ich nicht gern warte. Noch bevor die Sonne ganz untergegangen ist, will ich dich wieder hier sehen. Mit dem Dunklen Gral, dessen Spur ich damals schon bei Hector de Valois verfolgte.«
Der Eiserne verharrte in seiner Haltung. Dann aber gab er sich einen Ruck. Den Schwung nutzte er geschickt aus,
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