Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
065 - Der Geisterreiter

065 - Der Geisterreiter

Titel: 065 - Der Geisterreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
Vom Netzwerk:
vorbeikommen, Fräulein Wachholz. Die Klinik hat Ihre Nummer. Man wird Sie benachrichtigen, falls es etwas Neues gibt!“
    Ich nickte schwach.
    „Danke!“
    Im gleichen Augenblick heulte die Säge erneut auf. Einige Feuerwehrleute schnitten den Stamm in meterlange Abschnitte, die sie in den Straßengraben warfen.
    Jürgen nahm meine Hand und hielt sie fest. Er spürte wohl, in welcher Verfassung ich war.
    „Sobald die Straße geräumt ist“, sagte er halblaut. „Laden wir das Gepäck um und fahren wieder zurück.“
    „Ja, ich möchte so schnell wie möglich nach Hause. Es ist vielleicht kindisch von mir, aber mir graust vor diesem Platz!“
    Ich sah in seine Augen. Jürgen lächelte schwach, doch plötzlich irrte sein Blick ab und richtete sich auf einen bestimmten Punkt der Straße, die von den starken Scheinwerfern der Wagen erhellt wurde. Ich wandte mich um und versuchte zu erkennen, was ihn da so interessierte.
    „Nein, das ist nicht zu fassen“, murmelte Jürgen vor sich hin. Er deutete nach vorn, in Richtung Sammerath.
    Unbewußt registrierte ich die merkwürdige Stille um uns herum.
    Die Motorsäge war mit einem häßlichen Kreischen ausgelaufen. Alle sahen in die Richtung, in die Jürgen wies.
    Dort, etwa vierzig Meter entfernt, stand eine kleine, schmale Gestalt, die ein Kleidungsstück trug, das bis zum Boden reichte. Es schien ein Kind zu sein. Meine Gedanken überschlugen sich, dann schrie ich auf: „Es ist Christina! Christina Gloede, die seit Tagen vermißt wird!“
    Zwei Polizisten, Jürgen und ich begannen gleichzeitig zu laufen. Vor uns tanzten unsere Schatten. Das Kind stand regungslos da und blickte uns entgegen. Auch hinter uns rührte sich niemand. Alle waren im Bann dieser verrückten, unwahrscheinlichen Szene gefangen.
    Jürgen erreichte Christina als erster und blieb neben ihr stehen, dann beugte er sich zu ihr hinunter. Ich hörte, wie er sagte: „Christina! Wo kommst du her?“
    Das schwachsinnige Mädchen blickte ihn starr aus großen, dunklen Augen an. Dann verzog es weinerlich das Gesicht.
    „Mir ist kalt!“ sagte die Kleine leise. „Meine Füße sind steif. Der Mann hat gesagt, ich soll zu euch gehen!“
    Ich kannte Christina. Vielleicht erinnerte sie sich sogar noch an mich.
    „Komm her!“ sagte ich und hob sie auf. „Ich bringe dich dorthin, wo es warm ist.“
    Jürgen hielt mich am Arm zurück.
    „Die Mumien!“ sagte er, vielleicht ein wenig zu laut. „Dieser verdammte Hunnenfürst! Ich habe geahnt, daß er eines Tages auch die Bevölkerung terrorisieren wird!“
    „Was sagten Sie?“ erkundigte sich einer der Polizisten atemlos.
    Jürgen Sander tat, als habe er nicht verstanden.
    Der Beamte lief voraus und hielt die Tür eines Wagens auf, der mit laufendem Motor dastand. Das Gebläse summte, und im Innern des Wagens wurde es schnell warm.
    Wir setzten Christina auf dem Rücksitz ab, schlossen die Türen und schalteten die Innenbeleuchtung ein. Mit hochgezogenen Knien saß das Mädchen da. Es zitterte am ganzen Körper und weinte wie im Halbschlaf vor sich hin.
    „Hat jemand Kaffee da?“ schrie Jürgen zum offenen Fenster hinaus. Wir sahen das Mädchen besorgt an. Christina blickte ängstlich von einem zum anderen. Um den Wagen bildete sich ein dichter Ring von Zuschauern.
    Endlich sagte ein dicker Vertretertyp: „Ich hole mein Thermosflasche!“
    Wir warteten.
    Alle, die schon von den beiden Mumien aus dem Teufelsmoor gehört hatten, schienen mehr oder weniger genau zu‚ spüren, daß sich eine Sensation anbahnte. Das Mädchen war entführt und wieder zurückgeschickt worden. Die beiden Krieger hatten sie zu ihrer Botin gemacht. Und der Wunsch des einen Kriegers, den Jürgen und seine Kollegen angesichts der reichen Grabbeigaben als „Fürst“ erkannt hatten, schien klar und deutlich zu sein. Er wollte, daß Stalberg ihm gehorchte. Es war eine verrückte, wahnsinnige, aber aus der Sicht des Hunnen dennoch logische Sache. Ein Fürst war aufgewacht und schickte sich an, seine Herrschaft wieder anzutreten.
    Nachdem sich das Kind beruhigt und den heißen Kaffee getrunken hatte, berichtete es.
    Was Christina sagte, war teilweise wirr und unzusammenhängend und entsprach nicht dem zeitlichen Ablauf. Durch gezielte Fragen und dadurch, daß ich ihr immer wieder aushalf, konnten wir trotzdem einige notdürftige Informationen aus ihr herausholen.
    Sie war lange auf einem Pferd durch die Nacht geschleppt worden. Dann kamen die beiden Reiter an ein „altes Haus“, das

Weitere Kostenlose Bücher