0654 - Unter dem Vampirmond
dieser Stelle einzudringen? Vielleicht gibt es in der Nähe einen weiteren Zugang, und wir können uns von der Seite her nähern und sondieren, wo eine Falle auf uns wartet. Wenn wir von der anderen Seite her kommen, können wir sie unschädlich machen.«
»Du bist verrückt«, sagte Zamorra entgeistert.
»Ich meine es ernst«, sagte Nicole. »Sarrates soll uns einen Lageplan beschaffen. Je mehr wir vorher über dieses Labyrinth wissen, um so besser ist es. Ich nehme das Amulett. Es wird mich schützen. Und mit der Zeitschau werde ich dem Weg der Vampirin folgen. Du bewegst dich neben meinem Weg her, versuchst immer wieder von der anderen Seite her heranzukommen. Du wirst Fallen entdecken können und ausschalten.«
»Das Risiko ist zu groß. Wenn ich zu spät komme…«
»Ich kann mich nicht erinnern, daß du jemals zu spät gekommen wärst«, erwiderte Nicole zweideutig.
Er winkte ab. »Bleib ernst, cheriel«
»Wir halten telepathische Verbindung«, sagte sie. »So weißt du immer, wo ich gerade bin und was mit mir geschieht.«
»Hast du dabei nicht etwas Entscheidendes vergessen?« fragte Zamorra stirnrunzelnd.
Ihre Augen wurden groß.
»Stimmt… mein telepathisches Handicap…«
Sie war nur dann in der Lage, die Gedanken einer anderen Person zu lesen, wenn sie diese Person direkt vor sich sah. Selbst wenn nur ein Mauervorsprung zwischen ihnen war, der die direkte Sicht verhinderte, ging nichts mehr… Und Zamorras telepathische Fähigkeiten waren extrem schwach ausgeprägt und funktionierten nur unter besonders günstigen Bedingungen. Wenn sie beisammen waren, gab es kaum ein Problem, sich telepathisch zu unterhalten, ohne daß andere etwas davon mitbekamen. Aber in diesem Fall…
In ihren Augen blitzte es auf.
»Wir machen es trotzdem«, sagte sie. »Ich habe eine Idee…«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!« protestierte Zamorra. »Ich lasse auf keinen Fall zu, daß du dich derart in Gefahr begibst, ganz egal, welche Idee du jetzt schon wieder hast! Du läßt dich von deinem Haß auf deSar blenden.«
»Ganz sicher nicht«, erwiderte sie und winkte ein Taxi an den Straßenrand. »Zur Präfektur…«
***
»Das kann ich nicht tun«, sagte Inspektor Sarrates. »Und das darf ich auch nicht tun. Die Katakomben sind gesperrt. Wie käme ich dazu, Ihnen einen Lageplan auszuhändigen? Ganz abgesehen davon, daß ein solcher Plan überhaupt nicht existiert.«
»Und wie orientieren Sie und Ihre Leute sich? Woher kennen Sie die Eingänge?« konterte Nicole.
»Erfahrung.«
Sie winkte ab. »Es gibt einen Lageplan. Wir brauchen den. Hören Sie, Inspektor, wir kennen uns doch von damals her. Sie wissen, daß wir keine Verrückten sind, die sich da unten ihren Freizeit-Kick holen wollen. Es geht darum, eine gefährliche Killerin unschädlich zu machen.«
»Dann werden wir das tun«, sagte Sarrates. »Sagen Sie mir, wo Sie die gesuchte Person vermuten, und wir holen sie da 'raus. Übrigens können Sie Ihren Reißverschluß ruhig wieder einen halben Meter höher ziehen. Dieser Trick zieht bei mir nicht.«
Nicole seufzte. »Sie gehören wohl zu den absolut Unbestechlichen, wie?« Sie ließ den Reißverschluß ihres Overalls, unter dem sie nichts trug, ungerührt auf Bauchnabelhöhe.
»Wenn ich schöne nackte Frauen sehen will, gehe ich ins ›Crazy Horse‹ oder ›Moulin Rouge‹«, sagte Sarrates. »Die Demoiselles tragen da noch entschieden weniger als Sie. Wollen Sie mir die Stelle nennen, die Sie vermuten, oder nicht? Wenn ja, erledigen wir das, wenn nein, muß ich annehmen, daß Sie nur Schaum schlagen und mir die Zeit stehlen. Ich gebe Ihnen eine Minute Bedenkzeit.«
Er erhob sich und verließ sein Büro.
»Der Plan ist in seinem Schreibtisch«, sagte Nicole. »Er ist bei weitem nicht vollständig, aber er zeigt zumindest alle bekannten Eingänge.«
»Seit wann mißbrauchst du deine Telepathie für diese Art von Spionage?« Zamorra schüttelte den Kopf. Er hatte nicht damit gerechnet, daß Nicole den Inspektor ausforschte. Das verstieß gegen den ungeschriebenen Ehrenkodex. Es ließ sich auch nicht mit dem verzweifelten Zorn rechtfertigen, den Nicole auf die Vampirin empfand.
Nicole erhob sich, um um den Schreibtisch herumzugehen. Zamorra streckte die Hand vor und hielt sie fest.
»Nein«, sagte er. »So nicht.«
»Wie dann?« fauchte sie. »Es ist die Chance. Er ist draußen. Kann jede Sekunde wieder hereinkommen und…«
Er kam wieder herein. Aber er war nicht allein. Hinter ihm trat Rouland
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