0654 - Unter dem Vampirmond
Ich kann und darf Sie nicht auf eigene Faust agieren lassen. Offiziell werde ich Sie ebenfalls festnehmen müssen, wenn wir in den Katakomben auf Sie treffen. Alles klar?«
»Das heißt, wir haben freie Hand?« staunte Zamorra.
»Nein, das heißt es nicht. Aber Sie können tun, was nötig ist. Außer natürlich, die Täterin zu verhaften oder gar zu töten. Ich weiß, daß Sie Waffen tragen. Setzen Sie sie bitte nicht ein, außer zur Selbstverteidigung. Wir werden das verfolgen und prüfen müssen. Waffengebrauch ist unsere Sache, falls es erforderlich wird, ebenfalls die Festnahme.«
»Wir werden uns bemühen«, sagte Nicole. »Wir werden übrigens Verstärkung haben.«
»Was soll das heißen?« fragte Sarrates mißtrauisch.
Zamorra runzelte die Stirn. Nicole ließ also tatsächlich nicht von ihrem verrückten Plan ab.
»Es wird eine weitere Person an unserer Aktion teilnehmen. Wir sind zu dritt.«
»Fordern Sie bloß nicht auch noch die Fremdenlegion an«, warnte Sarrates kopfschüttelnd.
***
Der dritte Mann hieß Gryf ap Llandrysgryf und war ein Druide vom Silbermond.
Nicole hatte es tatsächlich geschafft, ihn zu erreichen. Vom Hotelzimmer aus hatte sie ihm nachtelefoniert und ihn in seiner Hütte auf der wälischen Insel Anglesey an den Apparat bekommen. Das war mehr Glück als Verstand, weil der Druide meist irgendwo in der Welt herumstreunte und sich nur hin und wieder mal in seiner Hütte blicken ließ, oder in der unsichtbaren Burg des Zauberers Merlin, oder bei seinen Freunden.
Das Stichwort »Vampire« hatte ihn hellwach werden lassen.
Gryf besaß zwei ausgeprägte Leidenschaften: er liebte hübsche Mädchen und haßte Vampire. Deshalb ließ er sich nicht lange bitten, nach Paris zu kommen. Erstens gab es da eine Menge hübsche Mädchen, und zweitens hatte Nicole ihm eine Vampirjagd versprochen.
Wie hätte er da ablehnen können?
Im Hotel, in welchem Zamorra und Nicole kurzfristig Quartier bezogen hatten, traf man sich. Gryf erschien einfach aus dem Nichts im Zimmer. Als Silbermond-Druide beherrschte er neben anderen magischen Fähigkeiten auch den zeitlosen Sprung. Wenn er sich auf sein Ziel konzentrierte und dabei eine Bewegung ausführte, erreichte er es in der gleichen Sekunde, auch wenn es Hunderte von Kilometern entfernt war.
Wie üblich trug er seinen verwaschenen Jeansanzug; wie üblich war sein blonder Haarschopf wirr und schien noch nie in seinem ganzen Leben einen Kamm gesehen zu haben - und dieses Leben währte immerhin schon mehr als 8000 Jahre. Dennoch sah der Silbermond-Druide aus wie ein Zwanzigjähriger. Zu jener Zeit hatte er seinen Alterungsprozeß einfach gestoppt.
Er warf sich einfach rücklings auf das breite Doppelbett und verschränkte die Arme unter dem Hinterkopf. Auffordernd sah er Zamorra und Nicole an. »Erzählt.«
»Fühl dich hier bloß nicht wie zu Hause«, warnte Nicole. »Das ist unser Bett.« Damit deutete sie auf Zamorra und sich.
»Ach, ich hindere euch nicht daran, euch hineinzulegen und zu tun, was in einem Bett getan werden muß«, grinste er. »Ich störe euch dabei auch ganz bestimmt nicht. Vielleicht kann ich sogar noch was lernen. Was ist also jetzt mit der Katakomben-Vampirin? Am Telefon sagtest du etwas von Sarkana, Nicole? Hat der sich nicht selbst abgewrackt?«
»Es geht nicht um Sarkana, sondern um deSar.«
»Ah«, sagte Gryf. »Eine der Namensformen, mit denen sich Angehörige seines Clans kenntlich machen, deSar, diSarko, van Sarken, MacArkana… und so weiter, und so fort. In einem afrikanischen Land nennen sie sich !sark.« Dabei sprach er das »!« wie ein Schnalzlaut aus. »Ist die Vampirin hübsch?«
Nicole nickte finster.
»Schade«, gestand Gryf. »Ich verschwende ungern Schönheit. Aber was sein muß, muß sein. Wir finden sie in den Katakomben, sagt ihr?«
Nicole entwickelte ihren Plan.
»Ich gehe mit dem Amulett der Spur nach. Du und Zamorra, ihr sorgt für meine Sicherheit. Du, Gryf, mußt dabei telepathischen Kontakt mit mir halten.. Außerdem sind da noch Polizisten von Inspektor Sarrates Sondereinheit.«
»Die vergessen wir mal ganz schnell«, sagte Gryf. »Bis die merken, was passiert ist, haben wir die Angelegenheit schon erledigt. Na, dann wollen wir mal keine Zeit mehr verlieren.«
Er sprang vom Bett auf und reckte sich. »Na kommt schon, worauf wartet ihr eigentlich noch? Daß euch der Efeu um die Füße rankt? Bringen wir's hinter uns!«
***
Eine Kralle packte zu und erwischte die Vampirin im Genick. Sie
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