0656 - Labyrinth der 1000 Tode
hoch zur Decke. Dort werden Sie ihn sehen können, und denken Sie daran, dass Nando Morcote technische Spielereien liebt.«
Das bekam ich präsentiert und brauchte nicht einmal fünf Sekunden zu warten.
Es war schon faszinierend, was über mir geschah. Eine normale Grottendecke hatte sich dort nicht befunden, bei ihr wäre eine Bewegung zur Seite nicht möglich gewesen.
Mit einer Stahldecke klappte dies. Es erklang ein leises Summen, eine Lücke entstand, aus der mit fortschreitender Größe immer mehr Helligkeit fiel.
Nicht, dass die Grotte jetzt deckenlos gewesen wäre, sie hatte nur einer anderen Platz geschaffen, und zwar einer aus dickem Glas. Ich konnte hindurchschauen und von oben her konnte man hereinsehen. Zum ersten Mal sah ich Nando Morcote, aber er interessierte mich noch nicht, denn die zweite Person in seiner Nähe war wichtiger für mich.
Joanna war bei ihm.
Sie stand einige Schritte von einem großen Steuerpult entfernt und sie stand dort nicht freiwillig, denn Nando Morcote hatte sie an einen Pfahl gebunden. Ihr Körper war umschnürt wie ein Paket, da glich sie schon mir, aber sie lebte, denn sie bewegte den Kopf.
Vielleicht deutete ihr Nicken an, dass sie mich erkannt hatte.
Nando Morcote hatte hinter seinem Steuerpult gesessen. Als die gesamte dunkle Decke verschwunden war, stand er auf - und wurde kaum größer. Ich wunderte mich darüber.
Sollte dieser Mensch eine Sitzgröße gewesen sein? Nein, er war ein Zwerg.
Ein hässlicher Zwerg, eingekleidet in einen weißen Anzug. Auf dem Hals wuchs ein zu großer Kopf mit einem für meinen Geschmack hässlichen Gesicht.
Sein Gang hatte etwas Watschelndes. Insgesamt wirkte er lächerlich, doch vor dieser Beurteilung hütete ich mich.
Er durchquerte den Raum in der Längsseite, blieb stehen und beugte den großen Schädel vor. Durch das Glas verzerrte sich die Perspektive.
Mir kam der Kopf plötzlich vor wie ein angeschlagener Riesenkürbis.
»Ich grüße Sie, Sinclair, und freue mich, dass Sie endlich den Weg zu mir gefunden haben.«
»Danke. Wenn Sie dann die Güte hätten, die junge Dame und mich zu befreien…«
Er lachte geifernd. »Befreien? Ja, Sie werden befreit. Aber von Ihrem hässlichen Leben. Ich werde Sie eine Reise durch die Kanäle machen lassen und dabei zuschauen, was schließlich von Ihnen übrig bleibt. Tecco sagte es schön. Ich liebe die Technik und ich habe es verstanden, sie für meine Bedürfnisse einzusetzen:«
»Da hat er Recht«, flüsterte Tecco, nickte mir zu und ging davon. Für mich ein Zeichen, dass Morcote sein Versprechen wohl bald in die Tat umsetzen würde.
»Nur die Technik lieben Sie?«
»Was meinen Sie damit?«
»Ganz einfach. Ich denke über den Grund meines Kommens nach. Das waren im Prinzip nicht Sie, sondern ein ehemaliges Skelett, das plötzlich wieder anfing zu leben.«
»Stimmt genau.«
»Haben Sie es?«
»Natürlich, es ist hier.« Er lachte laut und rieb dabei seine Hände. »Ich habe es gefunden und herschaffen lassen. Man muss im Leben öfter etwas Neues beginnen. Als ich die Technik nicht weiter ausfeilen konnte, begann ich damit, mich mit der Magie zu beschäftigen und bin auf Gracio gestoßen, einen Edelmann, Templer und Magier, der vor einigen hundert Jahren hier lebte. Er faszinierte mich, er war einfach wunderbar. Ich las in alten Büchern über ihn. Die Inquisition hat ihn schließlich nach England vertrieben, aber das Versprechen seiner Unsterblichkeit blieb erhalten, auch wenn er gestorben ist. Er verfaulte, er wurde zum Skelett, doch wer sein Grab fand, der hatte es in der Hand, einen wunderbaren Diener zu bekommen. Ich habe viel Zeit und Geld aufwenden müssen, doch jetzt bin ich am Ziel. Ich mische die Magie mit der Technik, dann hat sie den Segen des Teufels erhalten. Gracio kennt sich damit gut aus, er hat nichts vergessen und konnte sich an seinen alten Stätten wieder regenerieren.«
»Wo ist er denn? Kann ich ihn sehen?«
»Ja, ich werde ihn dir schicken. Er wird dich besuchen und über deinen Tod wachen.« Der Zwerg wollte sich ausschütten vor Lachen, trampelte dabei mit den Füßen gegen das Glas und lief wieder auf sein Steuerpult zu, wobei er der gefesselten Joanna durch das Gesicht strich. Eine sanfte Bewegung, der Frau allerdings musste sie vorkommen wie ein Peitschenhieb des Teufels.
Ich sah sogar, wie sich Joanna schüttelte.
Nando Morcote hüpfte auf seinen Stuhl. Er beugte sich nach vorn, ohne etwas zu unternehmen. Möglicherweise wartete er auf ein
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