0656 - Labyrinth der 1000 Tode
bestimmtes Ereignis.
Das genau trat ein.
Ich hörte die schlurfenden Schritte, als eine Gestalt in mein Sichtfeld geriet, die ich gesucht hatte und deretwegen ich überhaupt nach Lissabon gekommen war.
Der Skelett-Mensch!
Noch immer präsentierte er sich in der gleichen Schaurigkeit. Das Fleisch und die Haut waren nicht über seinen gesamten Körper gewachsen. Das bleiche Gebein hob sich vor den dunklen Stellen deutlich ab, nur das Gesicht hatte sich weiter verändert. Hier sah ich nicht einen freien Knochenrest. Der Schädel war mit Fleisch und Haut überzogen worden.
Sogar Haare hatten Wachsen können. Grau und schwarz Wuchsen sie wollig auf dem Schädel. Er blieb im Hintergrund stehen. Es gelang mir nicht, weitere Einzelheiten zu erkennen.
Hoch und schrill erreichte mich Nando Morcotes Lachen. Es klang wie ein Startschuss.
Auf einmal rauschte Wasser, geriet in Bewegung. Erst der letzte Kanal, dann der neben mir liegende, und einen Moment später bewegte sich auch die Flüssigkeit unter mir.
Zuerst schäumte sie auf. Etwas schwappte über die Bordwand. Gleichzeitig setzte die Strömung ein.
Mein Boot bekam einen Schub, als wäre es von einer unsichtbaren Hand angestoßen worden.
Meine Reise durch das höllische Labyrinth begann!
***
Suko war arg ins Schwitzen gekommen, was nicht nur an der schwülen Nacht lag. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte der wahnsinnige Verkehr.
Sie fuhren in einem Mercedes der S-Klasse. Lady Lydia liebte das Fabrikat mit dem Stern und nahm es während ihres Lissabon-Aufenthalts stets als Leihfahrzeug. Darin fühlte sie sich wohl und gab an Suko ihre Fahranweisungen.
Rauf und runter ging die Reise, durch überfüllte Straßen oder enge Gassen. Suko hatte den Eindruck, als würde die Stadt nie ein Ende nehmen.
Sie nahm es trotzdem.
Schon nach Mitternacht erreichten sie die Vororte und damit auch das Umland.
»Jetzt fahren wir in Richtung Südwesten!«, erklärte Lydia Lancaster.
»Richtig, da liegt das Meer.«
»Auch.«
»Hat Morcote ein Haus am Meer?«
»Darüber«, erklärte sie. »Es liegt auf einem Felsen. Gebaut wie eine Trutzburg. Kein moderner Bau. Als er das Haus fertigstellte, hatte er einige Stile zusammengemischt. Wichtig waren ihm die großen, dicken Mauern.«
»Und wie kommen wir hin?«
»Über eine Zufahrt, das sagte ich Ihnen bereits, Inspektor.«
»Ja, Sie sprachen auch von der Bewachung.«
»Wenn Sie die umgehen wollen, müssen Sie klettern. Deshalb werde ich Ihnen sagen, wo Sie anhalten müssen. Das geht alles schon klar, verlassen Sie sich auf mich.«
Suko grinste. »Wenn Sie meinen.«
»Wissen Sie, Inspektor«, Lady Lydia streckte die Beine aus, »ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass Sie in dieser Felsenburg Ihren Kollegen John Sinclair wiedersehen werden.«
»Ja, und Ihr Patenkind.«
»Wenn sie dort sind, dann nicht freiwillig, befürchte ich.« Die Frau seufzte.
Suko schwieg dazu. Sorgen machte er sich genug. Eigentlich hätten sie auch wissen müssen, dass Nando Morcote alle Fäden zog, um seine Feinde unter Kontrolle zu bekommen.
Er kannte ihn zwar nicht persönlich, doch er zählte zu den Menschen, die über Leichen gingen. Zudem musste er einen wahnsinnigen Einfluss besitzen.
Der Verkehr ließ nach. Auf der ziemlich breiten Küstenstraße konnte Suko schneller fahren. Die Fahrbahn durchschnitt die Landschaft nicht als Gerade, sie drehte sich in zahlreichen Kurven durch das felsige Gelände, und Mrs. Lancaster deutete einige Male nach links, wo sich der blauschwarze Schatten eines Berges erhob.
»Dahinter finden Sie das Haus.«
»Gibt es ein…?«
»Keine Sorge«, sagte sie nickend, ohne Suko aussprechen zu lassen. »Wir müssen gleich von der Straße ab, fahren einen Bogen, dann sage ich Ihnen, wo Sie halten können.«
»Gut.«
Alles klappte wie am Schnürchen. Die Abfahrt erschien vor ihnen und auch die Staubwolke, die von den Reifen aufgewirbelt wurde, denn die Fahrbahn zeigte keinen asphaltierten Belag.
»Wie weit noch?«
»Wenn möglich, schauen Sie sich um, Inspektor. Sie werden immer wieder die Felsen sehen, die wie erstarrte Wellen wirken. Da gibt es bald eine Lücke, in die Sie hineinfahren können. Man kann Sie von oben dann sehr schlecht sehen.«
»Alles klar.«
Die Lücke war ein schräger Einschnitt zwischen dem mächtigen Gestein. Sehr langsam fuhr Suko hinein. Auf den Rat seiner Begleiterin hin hatte er den Wagen zuvor gewendet und es klappte auch das Rückwärtsfahren, ohne dass sie gegen irgendein
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