066 - Das Tor zur Hölle
Bravour erfüllt. Sie war
schweigsam und pflichtbewußt.
Sie stellte keine Fragen. So wußte sie auch diesmal
nicht, worum es in dieser Angelegenheit ging.
Die Luft war kühl und frisch und fächelte ihr erhitztes
Gesicht.
Clementine Wells war noch eine attraktive Frau. Unter dem
halbdurchsichtigen Nachthemd zeichneten sich wohlgerundete Formen ab. Das
natürliche schwarze Haar trug sie halblang geschnitten in kleinen, geringelten
Löckchen, so daß sie weitaus jugendlicher wirkte, als ihr Alter aussagte.
Ein zufriedener Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
Hier konnte man es schon vierzehn Tage aushalten. Sie
hatte nichts anderes zu tun als zu kochen und die Räume in Ordnung zu halten,
die von ihr und von Professor Mrowsky benutzt wurden.
Weit dehnte sich das hügelige Land hinter dem niedrigen
Lattenzaun. Hier in Lakewood war es beinahe unvorstellbar, daß New York nur
etwas mehr als hundert Kilometer entfernt lag.
Clementine Wells zuckte unwillkürlich zusammen, als
wieder das häßliche Geräusch durch das Haus tönte.
Es klang, als ob jemand stöhnte oder schluchzte.
Die Amerikanerin wandte den Kopf und lauschte. Dann
öffnete sie die Tür ihres Zimmers und ging hinaus auf die Galerie und blickte
in die dämmrige Diele, wo sich die Deckenbalken, die hölzernen Säulen und die
schweren amerikanischen Möbel in der Dunkelheit abzeichneten. Wer immer hier
auch gewohnt haben mochte, er hatte über einen erlesenen Geschmack verfügt.
Clementine Wells ging die Treppe hinunter, die unter
ihren Schritten leise ächzte.
Das Stöhnen, das schaurige Jammern und gurgelnde Knurren
hörte sich an, als würde ein Folterknecht sein Opfer peinigen.
Die Geräusche kamen aus dem Zimmer hinter der Tür her, wo
Professor Ignaz Mrowsky untergebracht war.
»Markhhakotk … udghmargg … or-guthkumm … kamma-raqwaitok … gor-ho … roghmar
… gorhoooo … gor-hooo …«
Es hörte sich gräßlich an.
Die Frau blieb lauschend und wie gebannt an der Tür
stehen.
Sie verstand den Sinn der Worte nicht, und doch wurde ihr
bewußt, daß hier etwas Furchtbares, Bedrohliches im Gange war. Die Luft um sie
herum war wie elektrisch geladen. Die unheimlichen Laute erfüllten die
Dämmerung und wirkten laut und durchdringend, als gelte es, die Brut der Hölle
aus unbekannten Tiefen hervorzulocken.
»Professor? Professor Mrowsky!« Clementine Wells war eine
Frau, die mit beiden Beinen auf der Erde stand, aber mit einem Mal wurde es ihr
doch unheimlich. Hinter der Tür ging etwas vor, das nicht mehr menschlich war.
Clementine Wells lauschte ihrer verhallenden Stimme nach.
Und plötzlich herrschte eine absolute Stille um sie
herum, daß sie erschrak.
Keine Geräusche mehr, keine unheimlichen Laute aus dem
Zimmer Mrowskys.
Clementine Wells perlte der Schweiß auf der Stirn.
»Professor Mrowsky?« fragte sie und klopfte sacht gegen
die Tür. »Fühlen Sie sich nicht gut? Sind Sie krank? Soll ich Ihnen etwas
bringen?«
Clementine Wells erinnerte sich daran, daß die ganze
Nacht über schon unheimliche Laute durch das Haus geklungen waren. Deshalb
hatte sie nicht schlafen können.
Unbewußt hatte sie im Halbschlaf die Geräusche
aufgenommen, aber nicht registriert, daß sie von hier unten gekommen waren.
Clementine Wells' Blick irrte über den Schemel, der
unmittelbar neben der Tür stand. Auf dem Schemel standen ein Teller und ein
Topf. Es roch nach kalter Hühnerbrühe.
Mrowsky hatte sich gestern abend noch spät eine Suppe von
ihr bringen lassen.
Clementine Wells hatte den Auftrag, Speisen und Getränke
jeweils vor der Zimmertür abzustellen. Mrowsky verließ seinen Raum nicht.
Niemand durfte zu ihm. Er hatte auch keine Verbindungen zur Außenwelt. Es gab
zwar ein Telefon im Zimmer, in dem Mrowsky untergebracht war, aber mit diesem
Telefon hatte es seine besondere Bewandtnis.
Zu dem Apparat war eine Sonderleitung geschaltet. Mrowsky
brauchte nur abzuheben und schon war er mit einer Dienststelle verbunden, deren
genauen Aufgabenbereich auch Clementine Wells nicht kannte.
Die Frau wußte nicht, daß X-RAY-1 zu jeder Tages- und
Nachtzeit über Mrowskys Studien unterrichtet werden konnte.
Ignaz Mrowksy war permanent mit dem geheimnisvollen
Leiter der PSA verbunden, konnte Kontakt aufnehmen, konnte Fragen stellen und
erhielt jede nur denkbare Unterstützung durch die Computer, falls er dies
wünschte.
Clementine Wells machte sich Sorgen. Hatte Ignaz Mrowsky
heimlich einen Besucher empfangen, war dieser Besucher vielleicht ohne
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