0660 - Gefangene der Zeit
konzentrierte sich erneut und befahl das Amulett zu sich.
Nichts geschah.
Zamorra ließ den Arm sinken. Er hatte es sogar sich selbst gegenüber nicht zugeben wollen, aber für einen kurzen Moment hatte er tatsächlich gehofft, Nicole noch einmal zurückzubekommen. Eine zweite Chance.
Die Enttäuschung war jetzt um so schlimmer.
»Das war's dann wohl«, sagte er knapp, und Nicole wußte, daß sie verloren hatte…
***
Ted fuhr herum. Hinter ihm stand Raffael Bois, Zamorras alter, treuer Diener, der einen überraschten Schritt zurück machte.
»Entschuldigen Sie, Monsieur Ewigk. Ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Raffael. »Schön, daß Sie schon wieder hier sind.«
Ted nickte, während er überlegte, was er als nächstes tun sollte. Im Gegensatz zu Nicole schien seine Gegenwart im Château normal zu sein. Das gab ihm einen gewissen Vorteil. Auf der anderen Seite schien der Ted aus dieser Zeitlinie bald erwartet zu werden. Das bedeutete Gefahr, denn Ted hatte keine Lust, das ultimative Zeitparadoxon auszuprobieren und sich selbst zu begegnen.
Verdammt, was war hier passiert?
Wenn er doch nur jemanden fragen könnte, ohne sich verdächtig zu machen!
»Ja«, sagte er schließlich zu Raffael, »es ging schneller, als ich gedacht hatte.«
Er hatte zwar keine Ahnung, worum es ging, hoffte aber, die Antwort sei unverfänglich genug, um seine Unwissenheit nicht zu verraten. Erst jetzt bemerkte der Reporter Raffaels neugierigen Blick auf seinen Overall.
»Das ist eine lange Geschichte«, fügte er ausweichend hinzu.
Der alte Franzose senkte den Kopf. »Ich wollte nicht indiskret erscheinen, Monsieur.«
»Natürlich nicht. Aber ich gehe mich wohl besser erst einmal umziehen.«
»Sehr wohl, Monsieur. Danach wird es Sie vielleicht interessieren, daß der Professor gerade eine Lagebesprechung abhält.«
»Danke«, sagte Ted, der sich bereits umgedreht hatte. »Ich werde mich beeilen.«
Mit diesen Worten ließ er den Diener im Korridor stehen und ging mit schnellen Schritten die Treppe zur ersten Etage hoch. Er war schon so oft im Château gewesen, daß er nicht lange suchen mußte, bis er Zamorras Schlafzimmer gefunden hatte. Er zog die Tür hinter sich zu, riß sich den auffälligen Overall vom Körper und öffnete den Kleiderschrank. Nach einem kurzen Moment des Überlegens entschied er sich für eine blaue Jeans und ein weißes Hemd, das er für so unauffällig hielt, daß Zamorra hoffentlich nicht bemerken würde, daß es sich um seine eigenen Sachen handelte. Den Overall ließ er unter dem breiten Bett verschwinden.
Im gleichen Moment ließ ihn der schrille Ton einer Sirene zusammenzucken.
Verdammt, dachte er, hoffentlich hat das nichts mit mir zu tun
Er nahm den Machtkristall in die Hand und entschied, der beste Plan sei eine Flucht nach vorn.
Er riß die Tür auf. Unmittelbar vor ihm lief eine Gruppe von Soldaten im Gleichschritt den Gang entlang. Der Reporter wollte gerade die Tür wieder unauffällig schließen, als einer der Männer ihn sah und der Gruppe einen kurzen Befehl zurief. Ted zuckte zusammen und unterdrückte eine Verwünschung, als sie stehenblieben und sich wie ein Mann zu ihm umdrehten.
» Capitaine « rief ein Sergent mit viel zu lauter Stimme. »Wir stellen uns unter Ihr Kommando. Ihre Befehle, mon capitaine! «
Die Soldaten sahen ihn erwartungsvoll an.
»Ah…« sagte Ted.
***
Nicoles Gedanken rasten.
Wie konnte es sein, daß das Amulett ihren Befehl nicht akzeptierte?
Lag es vielleicht daran, daß sie in dieser Zeitlinie bereits tot war und die Metallscheibe sie aus ihrem ›Speicher‹ gelöscht hatte?
Sie wußte es nicht, war sich aber sicher, daß jeder Erklärungsversuch an Zamorra abprallen würde. Er hatte sich so stark verändert, daß sie ihn kaum mehr wiedererkannte. Irgendwo unter dieser Schale aus Wut und Trauer verbarg sich der Mann, den sie liebte, aber ob sie ihn jemals wieder so sehen würde, wagte sie im Moment zu bezweifeln.
Ihr Leben hing am seidenen Faden.
»Es interessiert mich ehrlich gesagt nicht, was sie ist«, ereiferte sich Gryf. »Sie ist nicht Nicole, das hast du bewiesen. Damit muß sie von Stygia oder jemand anderem geschickt worden sein. Ergo ist sie ein Köder oder sogar die Falle selbst, und wir sollten sie vernichten, bevor wir wirkliche Probleme bekommen.«
Teri nickte. »Ich sehe das genauso. Zamorra, du darfst dich nicht von ihrem Aussehen täuschen lassen. Das ist genau das, was derjenige beabsichtigt, der sie geschickt
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