0662 - Sturm auf den Todestempel
sich von den Gestalten der Männer ab. Sie winkte und ich grüßte zurück, sogar ein paar Tränen wischte sie aus ihren Augen.
Sie tat mir Leid. Ich hoffte, dass sie bei der Auswahl ihrer Partner irgendwann Glück hatte.
Die Außenhaut der Maschine isolierte gut. So konnten wir uns unterhalten, ohne schreien zu müssen.
Es sieht immer so einfach aus, einen Hubschrauber zu fliegen, doch das ist es nicht. Suko hatte seine Schwierigkeiten, ihn zu starten. Zum Glück wehte kein starker Wind, so kam er ziemlich gerade hoch, auch wenn sich die Maschine ein wenig schüttelte.
Unter uns verschwand allmählich das Deck mit den winkenden Menschen. Wir stiegen höher und nahmen den Kurs auf die indische Küste.
Hinein flogen wir in eine blauschwarze Dunkelheit, deren Wolkendecke die Gestirne verbarg.
Nicht nur ich fragte mich, wie dieser Flug ins Ungewisse wohl enden würde…
***
Mir kam ein Trend in den Sinn, über den ich nachdachte und deshalb für meine Umgebung kaum Augen hatte. Autoren und Filmemacher hatten ihn aufgegriffen, denn er beschäftigte sich mit dem Leben nach dem Tod oder mit der Rückkehr des Verstorbenen als Geist.
Der Film »Ghost« feierte wahre Triumphe. Er war so schön rührselig, im Parkett flossen die Tränen.
Aber auch andere Streifen griffen dieses Thema auf.
Sogar ein »Ghost Daddy« erschien seiner Familie und Bücher, die sich mit diesem Thema beschäftigten, wurden zu Verkaufsschlagern. Es schien so, als wollte die Unterhaltungsindustrie den Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen, und zeichnete deshalb eine Welt, in der es sich lohnte, als Geist zu leben, wobei dieser Geist es schaffte, auch wieder in die normale Dimension hinabzutauchen.
Weshalb mir diese Gedanken kamen? Ganz einfach, ich erinnerte mich wieder an den mächtigen Geist, als dieses dunkle Gebilde mit dem aufgequollenen Gesicht, das aus dem Sarkophag entwischt war und über dem Schiff geschwebt hatte.
Und ich dachte darüber nach, weshalb sich der Geist letztendlich so passiv verhalten hatte. Weshalb war er nicht erschienen, um dem Körper beizustehen?
Über dieses Problem hatte ich mit niemandem gesprochen, ich zermarterte mir allein das Gehirn und gelangte auch zu einem Resultat, was ich mehr als eine Theorie ansah.
Konnte es möglich gewesen sein, dass dieser Geist dem Leben gleichgesetzt wurde? War er derjenige, der dieser Gestalt hinter mir die Kraft gegeben hatte, auch als möglicherweise Toter zu überleben? Oder war Cheng Wu ein Heiliger, ein Guru, der es schaffte, seine körperlichen Funktionen auf ein derartiges Minimum zu reduzieren, dass es ihm gelang, in einem Sarg zu überleben?
Diese Ansichten holte ich nicht allzu weit her. Sie setzten sich aus Erfahrungen zusammen, die ich gesammelt hatte. Es gab die indischen Gurus, die sich begraben ließen und nach Monaten ihren Gräbern entstiegen, um wieder in das normale Leben zu treten.
Das gleiche Phänomen erlebte ich auch bei den Zombies, den lebenden Toten. Sie waren ebenfalls in der Lage zu existieren, und wenn ich beides miteinander verband, dann stand das Resultat einigermaßen fest. Geist und Körper waren zwar getrennt, sie mussten allerdings eine Verbindung haben, die für mich nicht erkennbar war.
Auf meinem Sitz drehte ich mich um und schaute in den hinteren Teil des Hubschraubers, wo Shao und Cheng Wu saßen.
Sie schaute mich an. Die Maske hatte sie abgenommen. Ich sah ihr Gesicht und den Ausdruck in den Augen, der mich nicht eben optimistisch stimmte.
»Noch nichts?«, fragte ich.
»Nein, John, ich bekomme keinen Kontakt. Ich habe den Eindruck, als würde etwas fehlen.«
»Vielleicht die Seele?«
Shao überlegte. »Nicht schlecht, John. Ein Stück Seele habe ich bei ihm nicht entdecken können.«
»Wie wäre das auch möglich?«
»Stimmt auch wieder.«
»Du hast den Geist nicht gesehen, der aus dem Sarkophag entwich und sich danach über dem Schiff zu einer gewaltigen Wolke ausbreitete, mit einem Gesicht im Zentrum.«
Shao beugte sich vor. »Stimmt das denn?«
»Ich lüge nicht.«
»Klar, aber…«
Links neben mir hockte der Anführer der Tamilen. Ich hatte ihn mit einem Handschellenkreis an die Lehne des Sitzes gekettet. Sollte er durchdrehen wollen, wäre ihm das verdammt schwer gefallen.
Dann hätte er den Sitz mit abreißen müssen. Er lachte scharf auf. »Ja, den Geist gibt es. Den gibt es sogar sehr deutlich. Auch ich habe ihn gesehen. Ihr könnt euch darauf verlassen.«
Ich nahm seine Antwort auf. »Und wo steckt er
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