0665 - Die Gruft des Druiden
Escort-Cabrio fährt«, sagte Nicole.
»Ach, der«, sagte der Nachbar. »Der Herr Menkenburg.«
»Menkenberg«, korrigierte Nicole.
»Sag ich doch. Der ist nur während der Woche hier. Freitags fährt er zurück nach Marburg. Da hat er eine Freundin, und da studiert er auch wohl. Diese Studenten… die ganze Woche hier, während er da studiert… was macht der Mann eigentlich?«
»Einen guten Eindruck«, grinste Zamorra.
»Sind Sie sicher?« fragte der Nachbar. »Ich wär's nicht. Aber ich glaube, er ist drüben am Glauberg bei den Archäolügen…«
»Archäologen«, korrigierte Nicole.
»Sag ich doch. Da schaufeln sie wieder irgend so einen Keltenfürsten aus dem Boden. Weiß der Teufel, wieviele von denen es damals gegeben hat. Na, mir soll's egal sein. Würde mich bloß interessieren, ob die damals schon Ebbelwoi getrunken haben.«
»Bitte, was?« hakte Nicole nach.
»Für alle Ausländer: Apfelwein«, erklärte der Mann umständlich und akzentuiert. »Das ist ein alkoholisches Getränk, das…«
Zamorra legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Glauben wir Ihnen unbesehen, Meister«, erklärte er in ebenso akzentfreiem Deutsch, wie Nicole es benutzt hatte. »Aber zurück zu Herrn Menkenberg: Ist Ihnen an ihm irgend etwas aufgefallen?«
»Nein. Warum wollen Sie das wissen? Sind Sie ein Bulle - äh, Polizist?«
»Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
»Was denn?«
Zamorra winkte ab und dankte für die Auskunft.
»Sie können gern noch 'reinkommen und 'nen Schoppen Ebbelwoi trinken«, lud der Nachbar ein.
»Später gern. Im Moment haben wir Wichtigeres zu tun.«
»Klar. Ihr Bullen - äh, Polizisten seid ja immer im Dienst.«
Zamorra wendete den BMW, und sie fuhren zurück. »Wie bei uns«, grinste Nicole. »Nur schlimmer - unsere Leute versteht man wenigstens. Dieses Gebabbel dagegen fällt doch etwas schwer…«
»So schwer wie unsere Sprache für andere. Weißt du, daß es Leute gibt, die Französisch als Nasen- und Rachenkrankheit bezeichnen?« schmunzelte Zamorra.
»Barbaren. Ich bin zutiefst empört.«
»Trink ein Schlückchen Ebbelwoi«, empfahl Zamorra. »Nach dem hundersten Schlückchen wirst du nur noch wenig Kommunikationsprobleme haben.«
»Vermutlich ist dann alle Kommuni katz ion eh für die Katz'«, seufzte Nicole. »Hicks.«
Zamorra lenkte den Wagen wieder in Richtung Glauburg.
»Meinst du, Menkenberg ist zum Berg gefahren?« fragte Nicole.
»Wenn er nicht in seiner Räuberhöhle ist… wird er wohl dort sein. Zurück nach Marburg, daran glaube ich nicht. Erstens ist es mitten in der Woche, und zweitens, nach dieser Show, die er abgezogen hat? Der ist noch hier, und am ehesten finden wir ihn dort, wo er die Sichel ausgegraben hat.«
»Und wenn er nicht er selbst ist?«
»Auch dann werden wir dort Hinweise finden«, sagte Zamorra. »Noch ist es halbwegs hell. Schauen wir mal, ob wir sein Auto oder ihn irgendwo an der Grabungsstätte oder oben am Glauberg finden.«
***
Torran, der Druide, ahnte, daß er vorsichtig sein mußte. Er durfte die Kontrolle über seinen Wirtskörper nicht zu stark ausüben. Er mußte ihm Freiheiten lassen, zu viele Freiheiten.
Denn diese Welt war so völlig anders als die, die er kannte…
Und der Mann, dessen Körper Torran übernommen hatte, kannte sich hier bestens aus. Er wußte, was getan werden mußte, wie man sich verhielt, kannte die Sitten und Gebräuche dieser Zeit. Seltsame Kleidung wurde getragen, erschreckend grellbunt bei Männern und Frauen, aus einem Stoff, der unglaublich fein gewebt war und keine Nähte sehen ließ. Es gab Karren, die nicht von Ochsen oder Niederen gezogen wurden und die so seltsam glänzten, rundum geschlossen waren… andere wieder waren offen, und durch Teile des Materials, aus dem sie bestanden, konnte man hindurchschauen. Das Durchsichtige war kein Eisen, auch kein anderes Metall. Alles war so glatt geschliffen und poliert… und es brummte, dröhnte und stank.
Es gab Häuser, die völlig anders aussahen als zu Torrans Zeit, viel mehr Häuser, hoch aufragend und auch so seltsam glatt.
Es gab Licht, das nicht von Fackeln oder Talgkerzen ausging und doch so unendlich viel heller war. Nachts leuchtete jedes Haus, selbst die Straßen waren hier und da beleuchtet. In seiner körperlosen Phase hatte Torran es gesehen. Welche Verschwendung, so viel Helligkeit in die Nacht zu bringen!
Vielleicht hätte er es für Magie halten können, wenn er nicht selbst der Zauberei kundig gewesen wäre. So aber wußte er, daß es
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