0667 - Das Horrorhaus von Pratau
blieben, rieb er seine Augen und grinste schief.
»Guten Morgen«, sagte ich. »Ja, danke.«
»Ausgeschlafen?«, fragte Suko.
»Nein, abgebrochen.«
»Und Nadine?«
Bill deutete auf die schmale Tür, den Eingang zur Kammer. »Die ist noch da. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Dann schauen wir mal«, schlug ich vor.
Abgeschlossen war die Türe nicht. Ich zog sie auf und blickte in den sehr engen Raum. Die Truhe hatte so eben Platz gefunden. Zwischen ihr und den Wänden bestand kaum ein Zwischenraum.
Der Deckel war geschlossen. Kein Laut drang an unsere Ohren, auch dann nicht, als ich klopfte und auf eine Reaktion wartete.
»Sie ist noch da!«, sagte Bill, als er meinen skeptischen Blick bemerkte.
»Ich habe nichts gesagt.«
»Keine Sorge, ich kenne dich.«
Suko half mir dabei, die Schlösser zu öffnen. Die Metallzungen schnappten hoch und wir konnten auch den Deckel anheben. Das geschah langsam, doch wir waren wie auf einem Sprung, weil wir damit rechneten, dass Nadine hochschießen würde, um uns an die Kehle zu fahren.
Sie verhielt sich völlig anders. Sie lag auf dem Rücken, die Beine angewinkelt, den Knebel verrutscht, die Beine ebenso gefesselt wie die Hände.
Und sie sah aus, als würde sie schlafen, denn sie hielt ihre Augen geschlossen.
»Lass mich mal!«, sagte Bill und bückte sich. Er wollte ihr den Knebel lösen.
Nadine reagierte noch immer nicht. Erst als ihr Bill das Tuch zwischen den Lippen weggezerrt hatte, reagierte sie. Trotz ihrer Fesseln fuhr sie fauchend hoch und wollte Bill tatsächlich ihre Zähne in den Hals schlagen.
Der Reporter zuckte zurück. Ich zerrte ihn noch weiter nach hinten und sah auch, wie er erbleichte.
»Nun, Alter?«
»Verdammt!«, keuchte er. »Die ist ja wahnsinnig.«
»Nein, sie ist eine Untote und hat für ihre Verhältnisse völlig normal reagiert.«
»Eigentlich sollte man sie pfählen!«, sagte Harry Stahl.
Wütend fuhr Bill herum und funkelte den Kommissar an. »Nein, das werden wir nicht!«
Harry wich zurück, hob beide Hände und winkte ab. »Keine Sorge, ich habe nur meine Meinung kundgetan.«
»Behalten Sie die für sich.«
»Bill«, sagte ich leise und beschwörend. »Findest du nicht, dass du zu übertrieben reagiert hast?«
Er stand unter Dampf, atmete schwer durch die Nase und schaute mich starr an. »Okay«, sagte er dann, den Kopf dabei senkend. »Vielleicht habe ich zu hart reagiert. Aber ist das ein Wunder, verflucht? Ist das ein Wunder?«
Ich winkte ab. »Schon gut, Bill, wir wissen, wie du zu Nadine stehst. Und wir werden auch weiterhin versuchen, sie so zu lassen, wie sie ist. Aber irgendwann einmal klappt das nicht mehr. Dann müssen wir uns entscheiden.«
»John.« Bill stieß mir gegen die Brust. »Ich weiß, dass du etwas anders denkst als ich. Aber es sind noch nicht alle Chancen genutzt worden. Solange Mallmann noch lebt, wird auch Nadine existieren. Ich werde mich um sie kümmern.«
»Wie denn?«
»Und wenn ich sie gefangen halte. Ich will nicht, dass sie gepfählt oder durch eine Silberkugel getötet wird. Ich habe ihr einfach zu viel zu verdanken. Und meine Familie ebenfalls.«
»Aber sie ist kein Mensch mehr«, widersprach Harry Stahl, der Bills Ansichten nicht teilen konnte.
»Das weiß ich selbst.«
Nadine hatte uns zugehört. Sie saß aufrecht in ihrer Truhe und drehte dabei den Kopf, damit sie jeden von uns anschauen konnte. Die Lippen hatte sie in die Breite gezogen, damit sie ein wölfisches Grinsen produzieren konnte und ihre Zähne dabei frei lagen. Sie war eine Bestie, sie wollte Blut und sie würde jede Chance wahrnehmen, die sich ihr bot. Das stand für uns fest.
Bill Conolly kam wieder auf die Realitäten zu sprechen. »Ich habe hier gewartet, ihr nicht. Darf ich fragen, ob ihr schon Pläne für die Zukunft gemacht habt?«
»Das haben wir«, sagte Suko. »Wir werden wieder zurück an den Ausgangspunkt fahren, nach Wittenberg.«
Bill überlegte. »Und dann?«
»Wir wissen es noch nicht.«
»Aber warum in diese Stadt?«
»Das ist ganz einfach, mein Freund. Den Tipp hat Nadine John Sinclair gegeben. Sie sprach die Stadt an, und deshalb rechnen wir damit, dass sich auch Mallmann dort herumtreibt.«
»Ist das sicher?«
Suko hob die Schultern. »Was ist schon sicher? Es ist zumindest eine Spur.«.
Der Reporter nickte. »Ja, wir müssen alle Möglichkeiten ausnutzen.« Er blickte auf die hockende Nadine. »Können wir denn davon ausgehen, dass sie gerettet wird?«
»Das weiß keiner.«
Bill
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