0667 - Das Horrorhaus von Pratau
scharfen Messer anritzen können, es wäre ihm egal gewesen, und eine Gestalt wie Will Mallmann fühlte sich deshalb als unbesiegbar.
Zudem stand er unter dem Schutz des Blutsteins, der dafür sorgte, dass ihm selbst geweihtes Silber nichts anhaben konnte.
Es wäre vermessen gewesen, hinter der Tür direkt den Gastraum zu vermuten. Mallmann gelangte in einen kleinen Flur. Ein Mensch hätte den muffigen Geruch wahrgenommen, zudem lagen die Toilettenräume nicht weit entfernt, aber das alles kümmerte den Vampir nicht. Er wollte dorthin, wo sich das böse Erbe manifestierte.
Und seine Sinne trogen ihn nicht.
Zielsicher führte ihn die Spur tiefer in das alte Gasthaus hinein.
Schon bald wich der Steinboden. Mallmann ging über Bohlenbretter, entdeckte eine schmale Stiege, sah kein Licht und schob sich vorbei an alten Bildern.
Alles geschah im Stockfinstern. Ihm machte es nichts aus, er fand sich auch so zurecht, und er war zu sehen, denn auf der Stirn leuchtete dunkelrot das D.
Es war sein Signum, sein Zeichen, der Beweis dafür, dass er die Nachfolge Draculas angetreten hatte. Denn er, Will Mallmann, war Dracula II.
Eine große Öffnung in der Wand führte in die Küche. Dort wollte Mallmann nicht hin. Der Vampir roch das Böse, und dieser Weg führte ihn geradeaus.
In der Gaststube war er zufrieden!
Hier konnte er auch mehr sehen, die Fenster, die Finsternis, die grauen Nebelschwaden. Ein bedrückendes Gefühl für einen normalen Menschen, nicht für den Blutsauger. Er mochte die Atmosphäre des Unheimlichen, erinnerte sie ihn doch daran, dass die Menschen Furcht und Angst vor ihr hatten, denn so reagierten sie auch auf seinen Anblick.
Er sah die Theke, die Stühle, die Tische. Unter seinen Füßen knarrte das Holz. Die Decke war ziemlich niedrig und die alten Balken strömten einen bestimmten Geruch aus. Man konnte den Eindruck haben, den Puls der Geschichte oder Vergangenheit zu fühlen.
Er hätte auch die Lampe einschalten können, davon jedoch nahm er Abstand. Ein Blutsauger war nicht umsonst ein Geschöpf der Nacht, und er fand sich auch in der Dunkelheit zurecht.
Bisher hatte er sich auf die Telepathie des Bösen verlassen. Sie hatte dafür gesorgt, dass er den richtigen Weg fand. Das aber musste sich ändern, denn Mallmann wollte die Quelle finden, also den Geist des Dr. Faustus oder das Erbe des Teufels.
Hier hatte der Leibhaftige der Legende nach den Arzt und Magier in einem wahren Anfall von Wut zerrissen, hatte seine einzelnen Körperteile verteilt, die Wände mit Blut und Hirn beschmiert, doch eine Spur dessen fand der Untote nicht.
Und doch war etwas vorhanden…
Mallmann blieb in dem Gastraum stehen und drehte sich um die eigene Achse, wobei auch sein Kopf diese Bewegung mitmachte und der Buchstabe an seiner Stirn aussah, als würde er wandern.
Will Mallmann wollte mit dem anderen in Kontakt treten. Es war ihm zwar fremd, aber beide gehörten irgendwie zusammen, denn beide verachteten Menschen.
Hatte sich der Geist des Dr. Faustus gehalten? Es war etwas vorhanden, er merkte es deutlich. Immer wieder starrte er in die Dunkelheit und ließ mit seinen Blicken auch die Fenster nicht aus, um erkennen zu können, ob sich dort vielleicht etwas tat.
Aber da war auch nichts.
Nebel, Wolken, Dunst, geisterhafte, lautlose Bewegungen, aber keine Gestalt.
Unter der Deckenlampe blieb er stehen. Und plötzlich spürte er etwas. Nur einen Hauch, doch er war sicher, dass dieses kalte Streifen seines Gesichts nicht normal war.
Woher ihn der Hauch erreichte, wusste er nicht. Er konnte keine Quelle entdecken, er war einfach da und schien von überall hergekommen zu sein.
Kälte, die auch er spürte. Das konnte nur seinen Ursprung im Metaphysischen haben.
Plötzlich war er da!
Selbst ein Wesen wie Mallmann wurde davon überrascht, denn zwischen ihm und der Theke entstand plötzlich ein blaues Leuchten, als wäre es von der Decke auf den Boden nieder gefallen, wo es sich manifestierte und einen Kreis bildete.
Mallmann tat nichts. Er ließ seine Blicke nicht mehr wandern und konzentrierte sich auf das bläulich schimmernde Elmsfeuer, auf diesen Gruß aus dem Jenseits.
Der Kreis blieb. Er bewegte sich von innen hervor. Es sah so aus, als würde er permanent um sich selbst laufen, ohne dabei seine Stellung auch nur um einen Deut zu verändern.
Unbeweglich stand der Vampir auf dem Fleck. Er erinnerte dabei an ein Stück Eis. In seinen Augen lag nicht das kleinste Funkeln. Die Lippen waren so hart
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