0667 - Lord der Apokalypse
Magie im Spiel war, wußte sie. Wie sonst hätte er sie aus dem eigenartigen Gefängnis holen können?
Wer war dieser Mann?
***
»Tan Morano«, sagte Nicole leise. »Ein Vampir. Aber was für einer…«
Zamorra warf ihr einen finsteren Blick zu.
»Einer, den ich töten werde«, sagte Nicole.
»Aber er hat uns geholfen«, protestierte Patricia. »Er hat mich befreit, und er hat Rhett befreit. Wir müssen ihm dafür dankbar sein. Und sage jetzt nicht, es sei ein Trick von ihm gewesen, um uns alle hereinzulegen. Mag ja sein, aber trotzdem erginge es uns ohne sein Eingreifen wesentlich schlechter - sofern wir überhaupt noch lebten.«
Sie befanden sich wieder im Château Montagne. Längst war es draußen dunkel und kalt. Aber in der kleinen Bibliothek brannte das von Raffael Bois entfachte Kaminfeuer; die Holzscheite knisterten und knackten und versprühten Funken. Zamorra, Nicole und Patricia hatten es sich gemütlich gemacht, ebenso wie Rhett, der eigentlich schon hätte im Bett liegen müssen. Aber er hatte sich heute nicht zum ersten Mal weit erwachsener gezeigt als jeder andere seines Alters, und Patricia hielt es für vertretbar, daß er an diesem Abend hier in der kleinen Bibliothek bei den anderen war, die die Geschehnisse des Tages diskutierten und Pläne für demnächst schmiedeten.
»Nur aus Menschenfreundlichkeit hat Morano es jedenfalls nicht getan«, sagte Nicole. »Und es ist mir auch völlig egal, ob er geholfen hat oder nicht - ich werde ihn töten. Ich hab’s damals geschworen, als…« Sie verstummte. Es war eine Sache, die nur Zamorra und sie anging, niemanden sonst.
»Es ist schon überraschend, daß der alte Flattermann überhaupt noch lebt«, sagte Zamorra. »Ich dachte, er sei damals in den Katakomben von Paris umgekommen. So wie auch Sarkana. Haben die beiden sich nicht gegenseitig umgebracht?« [2]
»Nichts Genaues weiß man nicht«, orakelte Nicole. »Vielleicht ist es auch nur jemand, der sich als Tan Morano ausgibt, um uns zu verwirren. Die Beschreibung der Person stimmt zwar, aber daß er über eine solche magische Kraft verfügt, eine Falle zu zerstören wie die, in welcher Patricia gefangen war… das paßt nicht so ganz zu ihm. Er ist ein Vampir, mehr nicht.«
»Dessen bin ich mir nicht ganz sicher«, murmelte Zamorra. »Er hat uns schon einige Male an der Nase herumgeführt. Wir sind ihm begegnet, ohne seine typische schwarzmagische Aura zu spüren, er kann seine Gedanken vor uns verbergen, er hat im Gegensatz zu anderen Vampiren ein Spiegelbild… ich könnte mir gut vorstellen, daß er noch ein paar Tricks in der Kiste hat, von denen wir nichts ahnen.«
»Ich frage mich, warum sind wir beide von unterschiedlichen Dämonen entführt worden? Rhett von diesem Astardis, und ich von einem anderen? Das kann doch kein Zufall sein. Hinter der Angelegenheit steckt mehr! Aber was?«
»Es deutet auf eine größere Sache hin, bei der mehrere Dämonen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, Zusammenarbeiten«, vermutete Nicole. »An zwei parallel verlaufende einzelne Überfälle glaube ich auch nicht. Wir sollten uns also fragen, wer dahintersteckt. Führt Astardis das Kommando? Oder vielleicht Stygia in ihrer Eigenschaft als Fürstin der Finsternis? Oder Lucifuge Rofocale? Und - sind noch weitere Dämonen beteiligt oder nur diese beiden?«
»Moranos Eingreifen wiederum bedeutet, daß dem Vampir das gar nicht gefällt. Und daß er sich mit der Gegenseite anlegt. Ich weiß nicht, ob er es riskieren kann, einen Strauß mit Lucifuge Rofocale auszufechten. Bei Stygia schon eher - sie gilt innerhalb der Schwarzen Familie als recht unbeliebt. Und jemand wie Morano könnte sich tatsächlich gegen sie stellen.«
»Wir sollten also davon ausgehen, daß es Stygias Idee war?«
»Möglich«, brummte Zamorra. »Somit stellt sich die Frage, was sie -oder eventuell auch ein anderer Dämon - nun wirklich beabsichtigt. Es kann nicht nur darum gehen, den Erbfolger auszuschalten; dann hätte es gereicht, ihn zu entführen.«
»ABM«, sagte Patricia.
»Was meinst du damit?« fragte Zamorra.
»Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme. Vielleicht sollst du beschäftigt werden, Meister des Übersinnlichen. Damit du dich nicht um Dinge kümmern kannst, die für die Dämonen wichtig sind.«
»Wäre möglich«, überlegte Nicole.
Rhett rutschte auf seinem Sessel hin und her. So interessant es auch war, der Unterhaltung der Erwachsenen zu lauschen, so war es doch nicht ganz das, was er sich unter dem
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