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067 - Der Redner

067 - Der Redner

Titel: 067 - Der Redner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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wissen doch genau, daß er in Frankreich ist. Diese gemeinen Kerle tragen ihre Haut nicht so leicht zu Markt. Und sollte er tatsächlich kommen, dann haben wir genügend Beweismaterial, um ihn des Einbruchs und des Diebstahls zu überführen. Heute abend um acht bin ich hier.«
    »Kommen Sie lieber eine Viertelstunde später«, entgegnete der Redner giftig und sah seinen Vorgesetzten böse nach.
    Major Dawlton saß vor dem Schreibtisch und gähnte.
    »Sie hat Sie versetzt!« bemerkte er.
    »Ich sagte Ihnen ja gleich, daß Sie nicht um acht kommen sollten.« Der Redner lehnte mit dem Rücken an der Wand und sah düster auf seinen Vorgesetzten herunter.
    Der Major zog die Uhr.
    »Eine Viertelstunde will ich noch zugeben -«
    Im gleichen Augenblick summte ein Geschoß an ihm vorüber. Er fühlte es an dem scharfen, kurzen Luftzug und wandte sich erschrocken um. Das Glas einer gerahmten Fotografie splitterte, und die Scherben fielen klirrend zu Boden.
    Einen Abschuß hatte man nicht gehört.
    In der nächsten Sekunde sprang der Major auf und eilte ans Fenster.
    Ein zweites Geschoß schlug in das Fensterbrett ein, prallte ab und riß Stuck und Putz von der Decke.
    »Ich würde von dem Fenster weggehen«, warnte der Redner liebenswürdig. »Ich habe gehört, daß Len Witlon ein Scharfschütze ist. Allerdings dachte ich, er würde das Feuer von einem gegenüberliegenden Haus eröffnen. Die Sache mit dem Boot ist tatsächlich eine glänzende Idee!«
    Dawlton war kreidebleich.
    »Was, der Kerl schießt?« rief er. »Und dazu noch auf mich!«
    »Die Kugeln galten mir«, erwiderte Mr. Rater nachdenklich.
    »Ich hoffe nur, daß unsere Beamten ihn fassen.«
    Noch während er sprach, beobachtete er, wie zwei Motorboote der Strompolizei aus ihren Verstecken am Ufer in den Fluß glitten. Sie steuerten auf ein einzelnes Fahrzeug in der Mitte des Stromes zu.
    »Es hat geklappt«, erklärte der Chefinspektor. »Jetzt haben wir wenigstens einen schwerwiegenden Grund, um ihm den Prozeß zu machen.«
    »Nach mir zu schießen - unerhört!« beschwerte sich der Major, aber seine Stimme klang ängstlich.
    »Ich habe Ihnen ja geraten, nicht zu kommen«, entgegnete der Redner. Der vergnügte Ausdruck seines Gesichts stand in krassem Gegensatz zu dem teilnehmenden Ton, in dem er sprach.
    »Die Sache war gar nicht so schlecht ausgedacht«, berichtete Mr. Rater dem Polizeipräsidenten. »Witlon kannte meine Vorliebe für frische Luft. Er muß die Gegend vorher genau ausgekundschaftet und dabei entdeckt haben, wie leicht es ist, vom Fluß aus durch die offenen Fenster in mein Büro zu sehen. Daß er in England war, wußte ich natürlich - einer meiner Leute hat ihn erkannt, als er mit dem Dampfer von Le Havre in Southampton ankam.«
    Der Polizeipräsident sah ihn durchdringend an.
    »Aber Sie haben sich doch wohl nicht träumen lassen, daß er in Ihr Büro schießen würde? Sonst hätten Sie doch sicher dem Major nicht gestattet, daß er zu Ihnen kam?«
    Der Redner seufzte tief und antwortete erst nach kurzer Überlegung. »Ich glaube nicht«, sagte er dann langsam.

Die zwei ungleichen Brüder
    Mr. Rater mischte sich niemals in die Amtshandlungen eines Untergebenen ein, wenn es nicht dringend notwendig war. Der Untergebene war in diesem Fall ein einfacher Polizist, und er hatte die Aufgabe, Mrs. Stalmeester von dem bewußtlos am Boden liegenden Hausverwalter wegzureißen, der die Mieten einkassieren wollte. Der Mann hatte gedroht, sie auf die Straße zu setzen, wenn sie nicht ihre Miete zahlen würde. Daraufhin warf ihm die alte Frau einen Steinkrug an den Kopf, so daß er die Besinnung verlor. Wahrscheinlich kannte er ihren Charakter nicht genügend, sonst hätte er sofort den Rückzug angetreten, als sie nach dem Krug griff.
    Sie war nahezu sechzig, groß und kräftig gebaut und hatte muskulöse Arme wie ein Hafenarbeiter. In ihrem Streit fand sie natürlich die Unterstützung aller Bewohner des Hauses Keller Row, Nr. 79, denn bei diesen Leuten waren Mieteinnehmer, Schulinspektoren und Polizisten gleich verfemt und verhaßt.
    Als ein Parteigänger von Mrs. Stalmeester einen Spitzhammer packte, um den Polizisten anzugreifen, hielt es Chefinspektor Rater für nötig, einzugreifen.
    Er riß die Frau von dem Bewußtlosen weg und zwang mit einem wohlgezielten Faustschlag den Mann mit dem Spitzhammer, sich von dem Schauplatz zurückzuziehen. Schließlich packte er Mrs. Stalmeester und trug sie in den Polizeiwagen, und als sie weiter tobte und

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