067 - Der Redner
Sunningdale sprach.
»Gut, daß Sie kommen, Mr. Rater. Die Berkshire-Polizei hat die Hilfe von Scotland Yard erbeten und uns zu dem Fall zugezogen.«
»Bin ich zugezogen oder Sie?« fragte Mr. Rater unfreundlich, denn der Major hatte nichts mit dem Außendienst zu tun.
»Natürlich Sie«, entgegnete Dawlton ärgerlich. »Ich bin gewissermaßen nur als - Zeuge hier. Nicht, daß ich etwas gesehen hätte«, fügte er schnell hinzu. »Aber die Leute kamen sofort zu meinem Haus und holten mich aus dem Bett.«
»Wo ist denn die Tote?«
Zum größten Erstaunen des Chefinspektors schüttelte der Major den Kopf.
»Das ist es ja gerade - sie ist nicht in der Wohnung, sie ist fortgeschafft worden! Hoffentlich waren Sie vorsichtig, als Sie von der Straße zum Haus gingen. Es sind nämlich Blutspuren draußen zu sehen. Aber das Verbrechen ist hier begangen worden.«
Er stieß die Tür zu dem kleinen Wohnzimmer auf, das hell erleuchtet war. Der Redner trat ein und sah sich um. In dem Raum herrschte große Unordnung. Tisch und Stühle waren umgeworfen, und eine Vase lag in Scherben auf dem Boden. Auf dem hellen Teppich zeigte sich ein großer, dunkler Blutfleck.
»Vielleicht wäre es besser, wenn ich Ihnen alles sagte, was sich zugetragen hat«, meinte der Major.
»Nein, das ist unnötig.« Der Redner konnte manchmal sehr kurz und abweisend sein. »Zunächst möchte ich feststellen: Bearbeite ich den Fall, oder bearbeite ich ihn nicht? Wenn ich ihn aber bearbeite, dann muß ich die Untersuchung auch allein führen, und Sie sind für mich dann weiter nichts als ein ganz gewöhnlicher Mitbürger.«
Der Major ärgerte sich, aber er zeigte es äußerlich nicht.
»Schön, dann werde ich draußen im Garten warten.«
»Warten Sie, wo Sie wollen«, erwiderte Mr. Rater und wandte sich an den Inspektor der Berkshire-Polizei.
Die Geschichte, die er von diesem Beamten erfuhr, war sehr einfach. Ein Polizist hatte auf seinem Rundgang um halb vier morgens gesehen, daß Licht in der Eingangsdiele der Villa brannte. Er öffnete das Gartentor, und als er zur Haustür kam, fand er sie nur angelehnt. Gleichzeitig bemerkte er eine große Blutlache auf der Schwelle. Er rief ins Haus, erhielt aber keine Antwort. Da er wußte, daß Mrs. Gray allein wohnte, wartete er nicht länger, ging hinein und entdeckte an den Wänden des Ganges überall Blutspuren.
Im Wohnzimmer brannte Licht, und er sah, daß hier ein Kampf stattgefunden haben mußte. Mehr konnte er jedoch nicht feststellen.
Mr. Rater rief die beiden Beamten von Scotland Yard, die mit ihm gekommen waren, und zeigte auf die polierten Messingstangen des Kamingitters.
»Hier sind Fingerabdrücke. Machen Sie eine Aufnahme davon. Wenn es Tag geworden ist, werde ich das ganze Zimmer genau untersuchen.«
Im Kamin lag noch Holzasche und ein angebranntes Stück Papier. Behutsam nahm er es heraus und betrachtete es genauer. Deutlich konnte er die Schriftzüge einer Frau erkennen.
»Versuchte, mich zu töten ... Verteidigte mich selbst ...«
Die Worte waren unregelmäßig und hastig geschrieben.
Nachdem er das verkohlte Blatt sorgfältig auf den Tisch gelegt hatte, ging er hinaus und machte einen Rundgang um das Haus. Die Morgendämmerung begann, und er konnte auch auf dem gepflasterten Weg vor dem Haus Blutspuren sehen. Es mußte jemand in blutendem Zustand auf die Straße geschafft worden sein. Dort verlor sich die Spur.
Mrs. Gray hatte einen kleinen Zweisitzer. Die Tür zur Garage war geschlossen, und man fand den Wagen vollkommen in Ordnung.
»Was schließen Sie aus dem Befund?« fragte der Major, der nicht länger schweigen konnte. »Es ist doch alles klar. Sie hatte Streit mit jemand, wurde ermordet und fortgebracht.«
»Ach, sind das die Hausangestellten?« unterbrach ihn der Redner, als er zwei Frauen quer über die Straße kommen sah. Er hatte nach ihnen geschickt, setzte aber keine großen Hoffnungen auf ihre Aussagen.
Zuerst führte er die Mutter, die die Stellung einer Köchin einnahm, ins Speisezimmer und stellte die gewöhnlichen Fragen an sie. Der Major erschien unaufgefordert zu der Vernehmung. Die Frau hatte schon erfahren, was geschehen war, und zitterte vor Aufregung.
»War gestern abend jemand hier?«
»Nur Mr. Vanne.«
Der Redner sah sie düster an. Das tat er gewöhnlich, wenn er überrascht war.
»Mr. Leicester Vanne.«
Sie nickte.
»Um welche Zeit war er hier?«
»Er war noch da, als ich fortging. Eine Bekannte von mir sah, daß sein Wagen etwa um
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