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067 - Der Redner

067 - Der Redner

Titel: 067 - Der Redner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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kam noch, daß sie sich heimlich hatte trauen lassen. Niemand wußte von dem entsetzlichen Leben, das sie an seiner Seite geführt hatte. Sie war gerade nahe daran, mir alles zu erzählen, weil sie gehört hatte, daß Wassing entlassen werden sollte, als er plötzlich unerwartet am Sonnabend nachts in ihrem Haus auftauchte. Er war betrunken und versuchte sie zu erwürgen. Zu ihrer Selbstverteidigung stach sie mit einem Dolch nach ihm, den ich ihr früher einmal als Brieföffner geschenkt hatte. Er stürzte zu Boden und blutete stark. Jetzt weiß ich glücklicherweise, daß er in eine Art Starrkrampf verfiel. Sie glaubte aber, daß sie ihn getötet hätte, und schrieb mir einen Brief. Sie hatte die Fassung vollständig verloren und wollte Selbstmord begehen. Während sie schrieb, wurde sie aber ein wenig ruhiger, verbrannte die Nachricht und erzählte mir am Telefon kurz, was sich zugetragen hatte. Ich fuhr mit meinem Wagen sofort nach Sunningdale, brachte sie zuerst in meine Wohnung und kehrte dann zur Villa zurück.
    Zunächst hatte ich die Absicht, den vermeintlichen Toten an die Küste zu bringen und ihn dort am Ufer liegenzulassen. Aber ich machte Fehler über Fehler. Ich ließ das elektrische Licht im Flur brennen und die Haustür offenstehen. Dadurch ist natürlich alles vorzeitig herausgekommen. Es gelang mir, den Mann in den Wagen zu schleppen. Kurz hinter Horsham hatte ich durch eine Motorpanne eine Viertelstunde Aufenthalt. Während dieser Zeit muß er das Bewußtsein wiedererlangt haben und aus dem Wagen gekrochen sein. Ich stieg wieder ein und fuhr weiter. Erst nach zehn Minuten entdeckte ich, daß er nicht mehr bei mir war. Ich fuhr, zurück, sah mich überall nach ihm um, konnte ihn aber nicht finden. Mrs. Gray hielt sich solange in meiner Wohnung auf. Sie ist jetzt in Bournemouth. Als Sie heute morgen zu mir kamen, erschrak ich sehr, denn ich fürchtete, daß Sie meine Zimmer durchsuchen würden. Um Zeit zu gewinnen, erzählte ich Ihnen, daß ich meine Kleider verbrannt hätte, was aber nicht stimmte. Wie haben Sie denn alles in so kurzer Zeit herausgebracht?«
    Der Chefinspektor machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Die Fingerabdrücke auf dem Kamingitter wurden in Scotland Yard identifiziert, und dann ergab sich eins aus dem anderen. Übrigens hatte der Kerl einen Brief in der Tasche, den er selbst geschrieben hat. Daraus geht klar hervor, daß er die Absicht hatte, seine Frau umzubringen.«

Die Privatsekretärin
    Der Redner kannte die London and Southern Bank, weil er dort selbst ein kleines Konto hatte. Auch Mr. Baide, den Direktor der Piccadilly-Filiale, kannte er dem Aussehen nach, denn er hatte selbst einmal eine Zeitlang eine verhältnismäßig billige Wohnung in der St. James Street gehabt. Der Hauseigentümer kam ihm mit der Miete entgegen, da er die Anwesenheit eines so hohen Polizeibeamten für ein sicheres Abschreckungsmittel gegen Einbrecher hielt.
    Wenn Mr. Rater morgens zuweilen am Fenster saß und seine Pfeife rauchte, sah er häufig Mr. Baide, der langsam die St. James Street nach Piccadilly zu ging. Der Bankmann hatte den Zylinder etwas in den Nacken geschoben und trug Sommer und Winter den Mantel offen. Er sah gewöhnlich nachdenklich aus, und der Redner hielt ihn für einen Philosophen.
    Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß Chefinspektor Rater gerade von der London and Southern Bank zu Hilfe gerufen wurde, als er sich um Mr. Joseph Purdew kümmerte, der früher wegen Betrugs und Vertrauensbruchs eine Strafe im Dartmoor-Gefängnis abgesessen hatte. Jetzt war der Mann Inhaber einer Firma, und Mr. Rater interessierte sich dafür, wie es augenblicklich mit seiner Ehrlichkeit stand. Joe Purdew hatte schöne Büroräume in einer vornehmen Straße im Westen Londons und betrieb dort das Geschäft eines Buchmachers und Kommissionsagenten. Pekuniär ging es ihm gut.
    Joe schien sich über den Besuch des Chefinspektors nicht allzusehr zu freuen. Die äußere Herzlichkeit, mit der er ihn begrüßte, täuschte den Redner in keiner Weise.
    »Aber treten Sie doch bitte näher, Mr. Rater. Darf ich Ihnen vielleicht ein Glas Wein anbieten?«
    Joe war von untersetzter Gestalt und hatte eine etwas rote Gesichtsfarbe. Er lief hierhin und dorthin und gackerte wie eine alte Henne. Schließlich machte er die Mahagonitür sorgfältig zu, die zu dem äußeren Büro führte.
    »Sonderbar, daß Sie heute zu mir kommen. Vor ein paar Tagen hatte ich die Absicht, Ihnen zu schreiben.«
    »Was für

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