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067 - Der Redner

067 - Der Redner

Titel: 067 - Der Redner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Pfund beiseite geschafft und bei einer Bank eingezahlt hatte. Je mehr er über die Gefahr nachdachte, die ihm von dieser Seite drohte, desto mehr haßte er seine Frau. Aber trotzdem paßte es ihm durchaus nicht, daß sich sein Nachbar um sie kümmerte. Er hätte den Mann vielleicht für seine eigenen Zwecke benützen können, wenn der alte Narr nicht eines Nachts an die Wand geklopft hätte und später selbst erschienen wäre. Smith hatte einen Mantel über seinem Pyjama an und fragte, was denn das Schreien zu bedeuten hätte. Der Mann sah nicht schlecht aus, nur war er schon etwas grau und verschlossen. Als der Farmer ihn an der Kehle nahm und auf die Straße werfen wollte, hatte ihn Smith einfach am Kragen gepackt und zu Boden geworfen.
    Giles schaute grübelnd ins Feuer, bis die junge Frau das Tablett mit dem Tee brachte und auf den Tisch setzte.
    Lange Zeit übersah er ihre Anwesenheit vollständig, und als er dann zu ihr sprach, würdigte er sie keines Blicks.
    »Es ist möglich, daß ein gewisser Rater hier Besuch macht. Das ist ein Mann von Scotland Yard und ein alter Freund von mir. Ich kenne alle Beamten im Polizeipräsidium, das bringt mein Geschäft mit sich. Aber du wirst ihm nichts über mich erzählen - verstanden?«
    »Ja«, sagte sie schüchtern.
    »Womit verdient der Kerl von nebenan eigentlich seinen Unterhalt?«
    »Das weiß ich nicht, Joe.«
    »Das weiß ich nicht, Joe!« ahmte er sie höhnisch nach.
    »Du weißt überhaupt nichts, dumme Gans!«
    Sie schrak vor seiner erhobenen Faust zurück, und er lachte laut auf.
    »Benimm dich, dann tu ich dir nichts. Heute abend kommt ein Herr zu mir. Sobald er hier erscheint, verschwindest du oben im Schlafzimmer. Wenn ich dich brauche, rufe ich dich.«
    Er sah auf die Uhr und gähnte, ging nach oben zum Badezimmer, zog sich um und sagte dann, daß er eine Stunde lang Spazierengehen wollte. Als sie noch jung verheiratet waren, hatte sie einmal den Fehler begangen und gefragt, wohin er ginge. Das hatte sie nicht wieder getan.
    Sie wartete, bis er die Haustür zuwarf, und schaute ihm hinter den Vorhängen des Wohnzimmers nach. Dann eilte sie durch die Küche und ließ alle Türen offen, damit sie hören konnte. Sie wußte, daß ihr Nachbar das Zuwerfen der Haustür auch gehört haben mußte.
    Er wartete bereits im Garten auf sie. Im Schatten sah seine Gestalt düster und dunkel aus.
    »Ich mußte ihn belügen, Mr. Smith. Ich sagte, ich hätte nicht mit Ihnen gesprochen. Aber was soll ich nun tun?«
    Ihre Stimme zitterte vor Verzweiflung, und doch fühlte Helen eine gewisse Erleichterung, daß sie sich diesem Manne anvertrauen konnte. Jeden Abend ging sie um dieselbe Stunde in den Garten und besprach mit dem Nachbarn ihre trostlose Lage.
    »Schon gut, Sie haben ja heute auch noch nicht mit mir geredet«, beruhigte er sie. Seine Stimme klang etwas rauh, aber freundlich. »Hat er Sie wieder geschlagen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Es war gerade noch hell genug, daß er das sehen konnte.
    »Nein, seitdem Sie neulich kamen, hat er mich in Ruhe gelassen. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll, Mr. Smith. Ich fürchte mich so entsetzlich vor ihm. Er gibt mir überhaupt kein Geld, ich kann also nicht von ihm fort. Und wenn ich meine alte Stelle bei Harridge wieder annähme, würde er mich sicher bis dorthin verfolgen. Ich habe schon oft daran gedacht, einfach den Gashahn aufzudrehen. Dann hätte doch dieses Elend ein Ende.«
    »Das ist aber vollkommen verkehrt gedacht«, sagte der Mann energisch. »Ich werde schon einen Ausweg für Sie finden -«
    »Wer ist eigentlich Mr. Rater von Scotland Yard?« fragte sie plötzlich.
    »Wie kommen Sie denn darauf?« entgegnete er, offenbar ziemlich bestürzt.
    »Joe sprach heute über ihn. Er sagte, daß der Herr wahrscheinlich zu uns kommen würde. Kennen Sie ihn?«
    »Ja, ich kenne ihn«, antwortete er nach einer kleinen Pause. »Ich traf ihn neulich. Wann kommt er denn?«
    Sein Ton klang beinahe ängstlich, und sie wunderte sich, in welcher Beziehung er zu Mr. Rater stehen mochte.
    »Ich weiß nicht, ob er überhaupt kommt. Joe sagte nur, daß es möglich wäre. Dann fragte er auch noch, womit Sie Ihr Geld verdienen.«
    Mr. Smith lachte leise vor sich hin.
    »So, das möchte er wissen? Nun, da können Sie ihm ganz wahrheitsgemäß sagen, daß ich ein Holzschnitzer bin. Er hat mich doch oft genug an meiner Arbeitsbank gesehen. Außerdem habe ich noch eine Privatbeschäftigung, aber die geht niemand etwas an, und darüber

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