067 - Der Redner
spreche ich nicht.«
»Dazu haben Sie vermutlich auch allen Grund, Sie gemeiner Lump!«
Helen schrie auf und wandte sich entsetzt um. Ihr Mann stand direkt hinter ihr. Er hatte sich leise herangeschlichen und den letzten Teil ihrer Unterhaltung gehört. Sie wollte an ihm vorübereilen, aber er packte sie so fest am Arm, daß sie wieder laut aufschrie.
»Du bleibst hier! So treibst du dich also herum, wenn ich abends ausgehe! Mit ihnen rede ich später noch, Smith!«
Er zog seine Frau ins Haus und riegelte die Tür zu.
Mr. Smith, der sonst kaum empfindlich war, zuckte zusammen, als er Helens Schmerzensschreie hörte ...
Sie lag auf dem Bett und war schließlich zu schwach, um noch zu schreien oder zu weinen.
Mr. Giles knöpfte seine Weste zu und zog seinen Rock an.
»So, nun mach, daß du zu Bett gehst, und sei froh, daß ich dir nicht das Genick umgedreht habe!«
Er schloß die Schlafzimmertür ab, ging nach unten in die Küche und suchte eine leere Sodawasserflasche. Dann verließ er das Haus und klopfte an Mr. Smiths Tür. Er war befriedigt, daß die Diele dunkel blieb, als sein Nachbar kam und öffnete.
»Nun, was gibt's?«
Offenbar hatte der Mann Joe Giles erkannt.
»Ich wollte einmal mit Ihnen reden«, erwiderte der Farmer höflich. »Vor allem möchte ich Sie darum bitten, nicht immer mit meiner Frau zu sprechen. Sie ist unvorsichtig, und ich wünsche nicht, daß sie in eine schiefe Lage kommt .«
Giles täuschte seinen Nachbarn so vollkommen, daß dieser nicht auf seiner Hut war. Erst als es schon zu spät war, entdeckte Smith die Flasche. Er versuchte noch, den Kopf zur Seite zu drehen, als Giles mit aller Gewalt auf ihn einschlug, fiel dann auf die Knie und brach zusammen. Der Farmer schloß die Tür vorsichtig und ging in sein Haus zurück. Eine halbe Stunde saß er in seinem Wohnzimmer, brütete vor sich hin und war mit sich und der ganzen Welt zerfallen. Was sollte nun werden, wenn der Mann zur Polizei ging und ihn anzeigte? Er hatte wieder einmal eine zu verrückte Sache angestellt!
Von Zeit zu Zeit legte er das Ohr an die dünne Trennungswand, und schließlich atmete er erleichtert auf, als sich der Mann im Nebenhaus wieder bewegte und umherging. Er setzte sich so, daß er durch das Fenster die Haustür beobachten konnte, denn er erwartete, daß Mr. Smith nun jeden Augenblick zu ihm kommen würde.
Aber es verging eine halbe Stunde, dann eine ganze, und es ereignete sich nichts.
Der Farmer lächelte. Sein Nachbar hatte wahrscheinlich guten Grund, nicht zur Polizei zu gehen.
Um zehn Uhr kam Higgy, sein treuester Helfer. Sie hatten einen neuen Plan gut vorbereitet. Es handelte sich diesmal um eine große Villa an der Grenze von Horsham. Die Familie war verreist; aber es hielten sich sieben Dienstmädchen und zwei ältere Diener im Haus auf.
»Die alte Dame, der der Kasten gehört, ist in Bournemouth«, sagte Higgy. »Sie hat aber ihren ganzen Schmuck in dem Safe zurückgelassen. Für gewöhnlich kann man das Ding nicht sehen, weil es in die Wand eingelassen ist, und zwar direkt hinter dem Bett. Stokey Barmond war gestern dort. Er hat sich mit einer Zofe angefreundet und alles gesehen. Er meint, die Sache sei sehr leicht. Ein alter, französischer Schrank, den man beinahe mit dem Fingernagel aufmachen kann! Genauso altmodisch ist auch der Schmuck, aber die Steine sind gut.«
»Wie kommt man am besten mit dem Auto dorthin?«
Higgy erklärte es ihm. In einer naheliegenden Nebenstraße konnte man parken. Dann kletterte man über eine niedrige Mauer und war auf dem Grundstück. Er legte einen Plan auf den Tisch, und der Farmer betrachtete ihn genau.
»Glänzend«, meinte er dann. »Sagen Sie also Stokey, er soll morgen abend einen Wagen besorgen und mich am Ende von Denmark Hill abholen.«
»Aber nehmen Sie ja keine Pistole mit!« warnte Higgy. Das sagte er regelmäßig, wenn sie auf eine Unternehmung auszogen.
»Glauben Sie denn, ich wäre so dumm?« fragte der Farmer verächtlich.
Als er sich am nächsten Abend in seinem Zimmer fertigmachte, steckte er doch einen Browning ein und sah vorher nach, ob er auch geladen war. Er wußte sehr gut, daß er zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden würde, wenn ihn die Polizei das nächstemal faßte. Und das war ihm zu langweilig, dann wollte er lieber gleich an den Galgen kommen.
Am Morgen hatte er gesehen, daß sein Nachbar einen Verband über der Stirn trug. Der Schlag hatte Smith nicht mit voller Härte getroffen, sondern nur
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