067 - Der Redner
Klarheit.
Der Doktor hatte am Samstagabend um halb neun Uhr einen Besuch gemacht und ihren Onkel untersucht. Mr. Blidfields Zustand mußte sich wohl gebessert haben, denn er sagte ihr, daß sie sich nicht weiter um ihn kümmern sollte. Bis elf Uhr war sie beschäftigt, dann hatte sie sich todmüde niedergelegt und war auch sofort eingeschlafen. Um halb sechs klingelte ihr Wecker. Sie stand auf und machte schnell Tee für ihren Onkel. Als sie nachher in sein Zimmer kam, entdeckte sie das Verbrechen.
»Haben Sie denn in der Nacht nichts gehört?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gar kein Geräusch?«
»Nein, nichts. Ich war so müde, daß ich zuerst nicht einmal den Wecker hörte.«
Ich ging zu dem Zimmer, in dem der Mord verübt worden war, und stellte eine sorgfältige Untersuchung an. Das Fenster stand etwa fünf Zentimeter auf, aber diesen Weg schien der Einbrecher nicht benützt zu haben, da es ziemlich hoch an einer glatten Wand lag. Die Wohnungstür zeigte keine Spuren von Stemmeisen oder anderen Werkzeugen, und das besonders komplizierte Schloß war vollständig intakt.
Miss Olford konnte mir nichts über den Inhalt des Kastens sagen. Sie wußte nur, daß Geld darin war, aber weder wieviel noch in welcher Form. Ich fragte sie noch aus, als Dr. Lexivell kam. Auf ihre Bitte hin hatte einer der Polizeibeamten vor meiner Ankunft an ihn telefoniert. Der Apparat stand in dem Schlafzimmer Mr. Blidfields.
Der junge Doktor kam zu gleicher Zeit mit dem Polizeiarzt in der Wohnung an, und die beiden untersuchten den Toten. Dann trat Lexivell zu mir.
»Ein recht trauriger Fall«, meinte er. »Haben Sie eine Ahnung, wer es getan haben könnte?«
»Nein, nicht die geringste.« Unglücklicherweise machte ich jetzt zum zweitenmal den Fehler, zuviel zu reden. »Es war eine stürmische Nacht, und ich glaube, daß selbst Polizeipatrouillen nicht nach Einbrechern ausgeschaut haben. Ich selbst lag schon um Mitternacht im Bett.«
Es war eine harmlose, aber dumme Lüge, und ich weiß nicht, wie mir die Worte entschlüpften. Miss Olford sah mich ernst an, und ihr Blick brachte mir plötzlich zum Bewußtsein, wie unklug es von mir gewesen war, so etwas zu sagen. Frauen haben manchmal einen untrüglich feinen Instinkt.
»Haben Sie die Leute beobachtet, von denen ich Ihnen neulich erzählte?« fragte der Doktor.
Ich hatte diese Beobachter vollständig vergessen, denn im Augenblick beschäftigten mich viel wichtigere Dinge. Ich veranlaßte Miss Olford, das Haus zu verlassen und sich in der Nähe ein Zimmer zu nehmen.
Als der Tote später fortgebracht war, nahm ich eine eingehende Untersuchung des Raumes vor, in dem er ermordet worden war. Ich fand aber weder Schriftstücke noch Aufzeichnungen, die mir einen Anhaltspunkt gegeben hätten. Im Spiegelrahmen war eine Karte eingeklemmt, auf der die Telefonnummern Dr. Lexivells und der Garage notiert waren, bei der Mr. Blidfield seine Autos gemietet hatte. In der Nachttischschublade lag ein kleines, ungeöffnetes Päckchen, das ein Schlafmittel enthielt. Ich zeigte es Dr. Lexivell, und er nickte.
»Ja, das habe ich ihm verordnet«, sagte er, »aber er hatte eine große Abneigung gegen Medikamente jeder Art. Er hatte mir zwar versprochen, es zu nehmen, aber er hat es dann anscheinend doch nicht getan.«
»Haben Sie ihm früher auch schon Schlafmittel verschrieben?«
»Nein. Aber diesmal sollte der alte Mann schlafen, denn das arme Mädchen mußte unbedingt einmal zur Ruhe kommen. Wenn sein Herz auch angegriffen war, so war es doch lange nicht so schlimm, wie er sich einbildete.«
Nach seinem Besuch am Abend hatte er nichts mehr von dem alten Herrn gehört.
Ich besuchte Miss Olford in ihrem Hotel, und sie erzählte mir unter anderem, daß ihr Onkel nichts von ihren Nachtwachen gewußt hätte. Sie hatte mit dem Doktor ein Übereinkommen getroffen, ihm nichts zu sagen, was seinen Gesundheitszustand beeinträchtigen könnte.
»Haben Sie im allgemeinen einen tiefen oder einen leichten Schlaf?«
Sie lächelte schwach.
»Für gewöhnlich schlafe ich sehr leicht und wache bei dem leisesten Geräusch auf. Wenn mein Onkel in der Nacht aufstand, war ich auch sofort munter. Ihm war das unangenehm, denn seiner Meinung nach sollten junge Leute viel schlafen. Er sprach auch mit Dr. Lexivell darüber, und der wollte mir ein Schlafmittel geben.«
An diesem Tage hatte ich auch eine Unterredung mit dem Rechtsanwalt Mr. Blidfields und erfuhr, daß Miss Olford die Universalerbin war. Sie hatte einen
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