067 - Der Redner
mehr davon.«
»Wurde denn später Arsen im Hause gefunden?«
»Nein. Obwohl wir alles genau durchsuchten, konnten wir nicht die geringste Spur entdecken. Ebensowenig war festzustellen, wo das Arsen gekauft wurde. Sie bestreitet auch aufs entschiedenste, ihrem Mann das Gift gegeben zu haben. Sie gibt zwar zu, daß sie Brait an dem Nachmittag in der Stadt getroffen hätte, und zwar in der Hauptgeschäftsstraße, wie auch er aussagt, aber sie erklärt mit aller Bestimmtheit, daß sie nicht mit ihm über Arsen gesprochen hätte. Brait ist darüber nicht verwundert. Er ist ein vernünftiger Mann und sieht vollkommen ein, daß die unglückliche Frau lügen muß, um ihr Leben zu retten.«
»Wie lange wohnt Brait schon in der Stadt?«
»Ungefähr fünf Jahre. Er ist hier sehr geachtet und angesehen.«
Und nun hörte der Redner aufs neue von allen Vorzügen dieses Mannes.
»Hatte sie irgendeinen Liebhaber?« unterbrach er seinen Freund.
»Nein, mein Lieber, daran ist gar nicht zu denken. Wir haben uns natürlich in jeder Weise erkundigt, aber nichts herausgefunden, was darauf hindeuten könnte.«
»Ich weiß eigentlich nicht, wie ich noch bei der Aufklärung des Falles helfen könnte. Es handelt sich höchstens noch darum, nachzuweisen, woher das Arsen gekommen ist.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Raters Kollege. »Dabei haben eben meine Beamten vollkommen versagt.«
Der Redner erinnerte sich in diesem Augenblick zufällig an das, was er durch sein Radio gehört hatte, und rief sofort den Oberkellner des Orpheum-Hotels an, der ihm persönlich bekannt war.
»Die Herren sprachen über Arsen? Das könnte nur Mr.
Langfort aus Glasgow gewesen sein. Er ist der Inhaber einer großen chemischen Fabrik. Seit gestern ist er hier, und morgen früh fährt er wieder nach Glasgow ab. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Ja, wenn es möglich ist.«
Mr. Rater mußte fünf Minuten warten, bis Mr. Langfort gerufen worden war. Er erkannte die Stimme sofort wieder, die er am vergangenen Abend durch den Lautsprecher gehört hatte. Er gab sich zu erkennen, was großen Eindruck auf Langfort machte, und erklärte dann den Zweck seines Anrufs.
»Zu komisch, daß Sie mich gehört haben. Das würde meine Frau ja sehr interessieren! Es stimmt, ich sprach über Arsen. Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nicht erwähnten, daß ich mich mit einer Dame unterhielt .«
Der Redner lächelte und beruhigte ihn über diesen Punkt.
»Es handelte sich um einen Mann, den ich gestern auf der Straße traf. Er besuchte mich früher einmal in Glasgow. Es muß ein Reisender oder ein Vertreter großer Firmen sein. Ich erkannte ihn zufällig wieder. Er hat bei mir ein Pfund Arsen gekauft, ich kann Ihnen auch noch das genaue Datum geben. Ich habe nämlich ein ganz vorzügliches Gedächtnis .«
Der Redner ließ ihn erst fünf Minuten über sich und seine Person sprechen, bevor er ihn höflich an das eigentliche Thema der Unterhaltung erinnerte.
»Sie wollen seinen Namen wissen? Er hieß Grinnet. Und er hatte ein Geschäft in Bristol. Soviel ich weiß, hatte er auch einen bescheidenen Handel nach Übersee, aber der Kerl hat nicht bezahlt. Nach all diesen Jahren habe ich ihn nun hier in London wiedergetroffen!«
»Hat er denn wenigstens jetzt seine Rechnung beglichen?«
»Darauf können Sie sich verlassen«, erwiderte Mr. Langfort triumphierend. Er war sehr zugänglich und wollte alles erzählen, was er wußte, aber der Redner dämpfte den Wortschwall des Mannes, da er nur gewisse Einzelheiten brauchte. Er machte sich Notizen, obwohl er nicht wußte, ob sie jemals nur den geringsten Wert für ihn haben könnten.
Am Abend speiste er mit seinem Freund und Kollegen und fragte bei der Gelegenheit, ob er die Gefangene besuchen könnte.
»Natürlich. Kommen Sie morgen früh ins Gefängnis. Ich werde dafür sorgen, daß alle Formalitäten vorher erledigt sind. Ich glaube allerdings kaum, daß sie Ihnen viel sagen wird, und mir tut es auch leid, wenn ich dazu beitragen muß, sie noch mehr zu belasten. Aber vielleicht können Sie mit ihr sprechen und sie zur Vernunft bringen. Machen Sie doch eine Andeutung, daß sie dem Todesurteil entkommen kann, wenn sie ein volles Geständnis ablegt.«
Am nächsten Morgen ging der Redner um neun Uhr durch das düstere Tor des Wilsey-Gefängnisses und wurde zu dem Wartezimmer der Frauenabteilung geführt. Gleich darauf öffnete sich eine Tür an der gegenüberliegenden Seite, und eine Frau trat in den Raum. Sie sah bleich
Weitere Kostenlose Bücher