0673 - Raumschiff Erde
Sprung durch den Transmitter an einen Ort geriet, der weit von der nächsten Sonne entfernt war. Wir konnten es nicht riskieren, daß die Temperaturen an der Erdoberfläche sanken, bis es flüssigen Sauer- und Stickstoff zu regnen begann. Die normalen Lebensbedingungen mußten wenigstens annähernd erhalten werden. Diese Funktion wurde von dem Pulkverband der 32 künstlichen Atomsonnen versehen, den wir innerhalb der Mondbahn etwa 108.000 Kilometer über dem irdischen Äquator installiert hatten.
Jede einzelne der 32 künstlichen Sonnen war individuell schaltbar. Nicht nur ihre Leistung konnte reguliert werden, sondern auch der Öffnungswinkel des Lichtkegels, den sie verstrahlte. Das Strahlungsspektrum jeder Kunstsonne entsprach im Normalfall dem der natürlichen Sonne, jedoch auch hier konnten durch geeignete Schaltungen Veränderungen erzielt werden, die zum Beispiel den Ultraviolett- oder den Infrarotanteil an der Gesamtstrahlungsmenge erhöhten. Bei normalem Öffnungswinkel und normaler Intensität beleuchteten die 32 Kunstsonnen die gesamte ihnen zugewandte Erdhälfte mit der gleichen Strahlkraft, die die Erde sonst von ihrem natürlichen Zentralgestirn empfing. Der Pulkverband war in der Ebene der irdischen Ekliptik starr verankert. Sobald die Kunstsonnen in Tätigkeit traten, würde auf der Erde also ewiger Frühling herrschen. Die Verankerung des Pulkverbands erfolgte durch Fesselfelder von einer Station aus, die in zwei Komponenten auf dem Nord- und dem Südpol der Erde installiert worden war.
Von diesem Arrangement benachteiligt war natürlich der Mond, der zusammen mit der Erde die Reise durch den Transmitter antreten sollte. Während eines Teiles seiner Reise um die Erde - dann nämlich, wenn ihm die scheinwerferartig arbeitenden Kunstsonnen die Rückseite zuwandten - war er in völlige Dunkelheit getaucht. Nur wenn er sich, von dem Pulkverband aus gesehen, auf der anderen Seite der Erde befand, erhielt er einiges Licht und Wärme - gerade soviel nämlich, wie an der mächtigen Erdkugel vorbeidrang und außerdem die korrekte Strahlrichtung hatte, um die Mondoberfläche zu treffen.
Dieser Umstand bereitete uns jedoch nur geringe Sorgen. Es gab keine sonnenabhängige Ökologie des Mondes. Die Anlagen, in denen der Mensch lebte oder die auf andere Weise dem Menschen dienten, lagen tief unter der Oberfläche der Erdtrabanten und schufen sich ihr eigenes Klima. Es machte ihnen wenig aus, ob auf der Mondoberfläche ständiger Sonnenschein oder ständige Dunkelheit herrschte. Und wenn sich im Laufe der Zeit doch ein nachteiliger Effekt ergeben sollte, nun, so konnten wir die eine oder andere der Kunstsonnen so wenden, daß ihr Lichtkegel dem Lauf des Mondes folgte.
Auf diese Weise war die Versorgung der Erde mit Wärme und Licht sichergestellt worden. Im Augenblick natürlich bildete der Pulkverband weiter nichts als einen toten Klotz im Raum zwischen der Erde und dem Mond. Die Kunstsonnen würden erst in Tätigkeit treten, wenn die Erde den Transmittersprung hinter sich hatte und sich in einem Raumsektor befand, in dem es keine natürliche Sonne gab, die die Welt der Terraner adäquat versorgen konnte.
Ein gänzlich anderes Problem war der Transport des Erde-Mond-Systems bis zu jenem magischen Punkt, an dem sich die Energieflüsse des Duo-Transmitters ballten und den wir erreichen mußten, wenn unser Plan überhaupt wirksam werden sollte. Um die Schwierigkeit zu ermessen, mußte man verstehen, daß der Duo-Transmitter zweier Pole bedurfte, nämlich der Sonne selbst und jenes Weißen Zwerges namens Kobold, den wir innerhalb der Merkur-Bahn in einen fast hautnahen Sonnenorbit gebracht hatten. Kobold, ein Zwerg von Erdmasse mit einem Durchmesser von knapp 189 Kilometern, umlief die Sonne auf einer genau kreisförmigen Bahn von rund zweiundzwanzigmillionen Kilometern Radius. Der Punkt, an dem die Transmitterkräfte wirksam wurden, war halbwegs zwischen Kobold und der Sonne zu suchen. Mit anderen Worten: die Erde mußte sich mitsamt dem Mond bis auf etwa elf Millionen Kilometer Abstand an die Sonne heranwagen, damit der Transmitter überhaupt wirksam werden konnte.
Wenn man bedachte, der der Transport des Erde-Mond-Systems bis zu diesem kritischen Punkt ein überaus langsamer und langwieriger Prozeß ist, der sich keineswegs mit dem vergleichsweise blitzschnellen Flug eines Raumschiffs vergleichen läßt, dann konnte man sich vorstellen, wie es auf der Erde aussehen würde, wenn sie sich in derart
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