0679 - Der Blutbrunnen
einfach da und unbeschreiblich für einen normalen Menschen war.
Das Böse…
Suko stand vor dem Altar. Hinter ihm lag noch immer die Frau auf der Platte. Sie atmete schwer. Es hörte sich so an, als würde ein Alp auf ihrer Brust liegen.
Suko glaubte nicht, daß ihm von ihr eine Gefahr drohte und auch nicht von dem »Messerhelden«, doch da irrte er sich. Aufmerksam wurde er durch ein Schleifen.
Einen Moment später wanderte ein Schatten vor. Zunächst über die Stufen, wo er ein eckiges Muster bekam, und dann auf den flachen Altaruntersatz.
Danach kam er.
Der junge Mann ging geduckt. Sein Messer hatte er nicht mehr, aber er war verändert, denn sein Gesicht hatte eine bläulichschwarze Farbe angenommen. Es sah so aus, als hätte jemand Öl über die Haut gepinselt, das nicht eintrocknete.
Er öffnete den Mund. Kehlige Laute drangen über seine Lippen, als er ging und sich dabei im Halbkreis bewegte. Suko wußte nicht, wohin er wollte, konnte sich aber vorstellen, daß er die Frau nicht in Ruhe lassen würde.
In seinen Augen waren die Pupillen kaum zu sehen. Ein harter Glanz überdeckte sie.
Suko ging auf ihn zu. Zwei, drei Schritte brauchte er nur, aber er kam nicht mehr dazu, nach diesem Menschen zu greifen, denn der junge Mann fuhr herum. Während des Vorgangs schnellte seine Zunge aus dem Mund hervor, und Suko konnte erkennen, daß sie doppelt so lang war wie bei einem normalen Menschen.
Er schrie und lachte zugleich, dann sprang er über die Stufen hinweg und rannte aus der Kirche, wie von zahlreichen Geistern gescheucht.
Keiner kümmerte sich um ihn. Die Menschen standen wie Säulen in ihren Bankreihen. Ihre Arme hingen an den Seiten herab, die Blicke waren nach innen gekehrt.
Mit einem lauten Knall fiel das Kirchenportal zu. Der endgültige Beweis, daß der junge Mann die Kirche verlassen hatte.
So angespannt die Lage auch war, Suko entdeckte in ihr trotzdem etwas Positives. So wie der Flüchtling reagierten nicht alle Menschen hier in der Kirche. Wenn sie so stehenblieben, dann war ihm das egal. Sie würden erst aus dem Bann erwachen, wenn es ihnen gelungen war, den Teufelsboten zu erledigen.
Ein Geräusch ließ ihn herum fahren. Es hörte sich an, als würde Stoff auf Stoff rascheln.
In der Tat war dies der Fall, denn die Frau auf dem Altar verließ ihre liegende Haltung und drückte sich hoch. Das geschah mit einer sehr langsamen Bewegung, ohne dabei gleich abgehackt zu wirken.
Sie hielt die Arme dicht am Körper. Unter dem offenen Mantel schimmerte ihr helles Kleid wie ein Leichentuch.
Dann saß sie. Sie drehte wie unter Trance den Kopf, um an Suko vorbei in die Kirche hineinschauen zu können, wo die anderen Bewohner warteten. Sie sprach kein Wort, obwohl sie den Mund öffnete. Mit einem Ruck drehte sie den Körper um neunzig Grad und verließ die Altarplatte. Sie rutschte ein Stück vor, die Füße fanden Kontakt, dann setzte sie sich in Bewegung mit sehr steifen Schritten, und wie von einer anderen Macht gelenkt.
Bevor die Namenlose Suko passieren konnte, faßte er zu. Seine Finger drehten sich um den Arm, und er spürte die ungewöhnliche Kälte ihrer Haut durch den Stoff.
Das war nicht normal…
Die Frau drehte unwillig den Kopf. Aus ihrem Mund drang ein heiseres Geräusch, zu verstehen als akustische Warnung, die auch die anderen Menschen gehört hatten.
Plötzlich bewegten sie sich. Es hieß nicht, daß sie die Bankreihen verließen. Sie änderten nur ihre Haltungen, die drohender wurden und gegen Suko gerichtet waren.
Er begriff schnell. Hielt er die Person noch lange fest, würden sich die anderen gegen ihn stellen. Auf keinen Fall wollte er auf die Menschen schießen, um sie zu stoppen, es mußte auch anders gehen.
Er ließ die Person los.
Augenblicklich entspannten sich die Menschen. Sie waren zufrieden, wie auch die Frau, die mit steifen Bewegungen die Stufen hinabging, um den Mittelgang zu erreichen.
Sie stoppte nicht ein einziges Mal mehr, denn sie ging auf dem direkten Weg dem Ausgang entgegen.
Und noch etwas geschah.
Keiner der Versammelten blieb mehr an seinem Platz. Als hätten sie alle einen gemeinsamen Befehl bekommen, verließen sie ihre Reihen und schritten in Zweiergruppen hinter der Frau vom Altar her.
Die Echos ihrer Schritte hallten durch das Kirchenschiff und störten die ansonsten unnatürliche Ruhe.
Suko blieb zurück. Er hatte seinem Freund John Sinclair versprochen, zu warten, obwohl es ihn drängte, ebenfalls zu gehen, um herauszufinden, was die
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