0679 - Der Blutbrunnen
Menschen vorhatten. Ohne Grund hatten sie die Kirche sicherlich nicht verlassen.
Suko schaute auf die Rücken der Männer, Frauen und Kinder.
Manche Gestalten waren aufgerichtet, andere wiederum gingen sehr gebeugt, als würde sie eine schwere Last drücken.
Aber sie alle traten hinaus in die Kälte des Kirchenvorplatzes, wo ihre Schritte als knirschende Geräusche letztendlich verklangen.
Der Inspektor wollte hinterher. Zumindest von der Kirchentür aus beobachten, als er etwas Seltsames gewahr wurde.
Durch die Kirche wanderte ein Schatten!
Nicht in ihr produziert, wie Suko sehr schnell feststellen konnte, der Schatten glitt außen an der Kirchenmauer entlang und fand seine Lücken in den Fenstern. Dort beugte er sich dann in das Kirchenschiff hinein, um auch über die Bänke zu gleiten.
Wer war der Schatten?
Suko merkte, daß sein Hals trocken wurde. Der Schatten besaß eine schlanke, aber dennoch klumpige Form, und er konnte lachen.
Es war ein widerliches, schon teuflisches Gelächter, das er von außerhalb der Kirche in das Innere schickte.
»Leroque!« flüsterte Suko, »das kann nur der Teufelsbote gewesen sein.«
Das Lachen verstummte, dafür hörte Suko die hastigen Schritte, drehte sich um und war beruhigt, als er seinen Freund John Sinclair und Veronique Blanchard erkannte.
»Gut, daß ihr kommt. Ich habe ihn gehört.«
»Wen?« fragte Veronique.
»Leroque«, erwiderte Suko hart.
Die junge Frau bekam eine Gänsehaut…
***
Suko hatte uns berichtet, was in der Kirche vorgefallen war. Daraus mußten wir nun unsere Schlüsse ziehen und kamen zu dem Ergebnis, daß sich der Teufelsbote gewisse Personen ausgesucht hatte, um sie stärker zu beeinflussen.
»Und warum das?«
»Keine Ahnung, Veronique.«
Die junge Witwe fühlte sich unbehaglich, als sie im Zentrum unserer Blicke stand. »Ich weiß, was Sie mich fragen wollen, aber ich kann Ihnen keine Antwort geben. Ich weiß nicht, weshalb sie die Kirche verlassen haben und was sie nun unternehmen werden. Möglicherweise stecken sie in einer Phase der Prüfung.« Sie schaute Suko unsicher an. »Ich denke da besonders an die Szene auf dem Altar, als der Mann mit dem Messer einen Mord begehen wollte.«
Suko nickte. »Nicht schlecht gedacht – oder?«
Er hatte mit dem letzten Wort mich angesprochen. Ich nickte auch.
»Nur kommen wir so nicht weiter«, sagte ich leise. »Das ist vergangen, wir müssen ihr neues Ziel finden.«
»Der Brunnen?«
»Kann sein, Suko.«
Veronique kam ihm mit einer weiteren Frage zuvor. »Ich bin mir nicht sicher, John. Der Brunnen existiert noch, aber er ist unbenutzt. Ich sage es mal so. Tatsächlich aber sieht es anders aus. Er ist verfallen, außer Betrieb, das Restwasser eingefroren. Wir werden dort kaum eine Chance finden. Schon gar nicht am Tage. Die Geschichte berichtet davon, daß der Brunnen vor allen Dingen in der Nacht benutzt wurde. Da sind dann seine teuflischen Kräfte freigekommen…«
»Richtig.« Ich lächelte. »Wir müssen eben so lange warten. Und wo können wir das am besten?«
Veronique Blanchard hob die Schultern. Eine etwas verlegene Geste, bevor sie mit leiser Stimme vorschlug: »Ich will mich nicht aufdrängen, ganz bestimmt nicht. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, können wir ja bei mir im Haus warten. Ich will damit nicht sagen, daß ich eine absolute Sicherheit garantiere, fühle mich aber dort wohler als im Dorf, dessen Bewohner mir fremd geworden sind. Ich habe Glück gehabt. Wenn ich nicht auf Sie gewartet hätte, wäre ich auch hier in der Kirche gewesen und verändert.«
»Da stimmt.« Ich schaute gegen die Tür. »Können wir nicht zuvor einen Blick auf den Brunnen werfen?«
»Ja, wir fahren daran vorbei. Das ist kein Problem.«
»Dann laß uns auch verschwinden«, sagte Suko.
Niemand war mehr da. Nur unsere Schritte warfen Echos gegen die nackten Kirchenwände. Suko hatte die Führung übernommen.
Er öffnete die Tür und ließ die Kälte hinein. Eine Bö war wie mit harter Hand über das Dach gefahren und hatte wirbelnde Schneewolken hereingetrieben.
Leer lag der Kirchenvorplatz. Nur die Fußspuren der Menschen zeichneten sich in der weißen Kruste ab. Links ragten kahle, dunkle Zweige über eine Mauerkrone hinweg. Auf ihnen hockten Vögel mit aufgeplustertem Gefieder. Den Tieren ging es nicht gut in dieser Jahreszeit. Sie hatten Schwierigkeiten, Futter zu finden.
»Sie sind aber schnell verschwunden«, meinte Suko. »Als hätten sie etwas vorgehabt.«
»Vielleicht
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