0679 - Der Blutbrunnen
immer der rötliche Nebel, der auch vor das Gesicht des Mannes trieb und es zu einer aufgeblähten wolkigen Fratze degradierte.
Leroque schaute in den Brunnen, er sah die Gestalt meines Freundes und fing an zu lachen. Ein häßliches, widerliches Gelächter hallte über den Flammenkreis hinweg. »Es ist soweit. Das Blut eines Menschen hat den Brunnen getränkt. Die ersten Nebel wallen hoch, und sehr bald schon wird er wieder sprudeln.« Mit einer nahezu verächtlich wirkenden Geste ließ er den Körper seiner Geisel sinken und tat so, als würde er die Frau fortwerfen wollen.
Sie fiel hin. Den Aufprall hörte ich nicht, weil sie mit Suko zusammengestoßen war, der den Schmerz tatsächlich durch sein betäubtes Gehirn spürte.
Der Teufelsbote richtete sich wieder auf. »Es sind die ersten beiden, die ich töten werde. Das Mädchen, danach ihn. Ihr Blut macht den Anfang, euer Lebenssaft wird folgen. Seid ihr bereit, einen Teil davon dem Blutbrunnen zu spenden?«
»Wir sind bereit?« murmelten die Männer wie im Chor.
Ich war ein wenig beruhigter darüber, daß er sie nicht alle töten wollte. Allerdings konnte sein Plan auch nur ein Aufschieben bedeuten. Er würde, wenn er hier der Herr war, immer wieder Blut von den Menschen fordern, bis sie letztendlich nichts mehr besaßen und tot waren. Eine andere Art des Vampirismus.
Ich war nicht mehr liegen geblieben, sondern hochgekommen. Geduckt stand ich hinter den Menschen. Die Lücke war groß genug, um Leroque beobachten zu können. Nur das Fauchen der Flammen war zu hören. Ein jeder merkte, daß die große Sekunde nahte, und die unheimliche Kuttengestalt zögerte auch keine Sekunde länger, als sie unter das dunkle Gewand griff.
Jeder von uns sah das Messer, das er in der rechten Hand hielt.
Aus der Faust schaute die Klinge als breites Dreieck hervor, und der Widerschein des Feuers hinterließ auf diesem Gegenstand ein bizarres Zucken, als sollte die Waffe in zahlreiche Teile zerbrochen werden.
Er trat in das Ablaufbecken hinein. Aus seinem Mund drangen finstere Worte. Die widerlichsten Gotteslästerungen, die man sich vorstellen konnte.
Ich kümmerte mich nicht darum, schlich noch weiter vor und hörte seinen Abschlußsatz.
»Und so werde ich mit dem Blut dieser Frau den Brunnenboden füllen!« schrie er, hob seinen Arm und zeigte noch einmal sehr deutlich sein Messer.
Im selben Augenblick handelte ich.
Ich rammte die beiden Gestalten vor mir zur Seite. Sie rissen noch zwei Fackeln mit um, dann hatte ich den Kreis durchbrochen und sprang Leroque entgegen.
»Warum nimmst du nicht einen Hector de Valois?« schrie ich ihn an und zeigte ihm gleichzeitig das Kreuz…
***
Er stand im Brunnen, ich hielt mich noch vor ihm auf. Er hatte das ungewöhnliche Messer erhoben, ich hielt ihm das Kreuz entgegen.
Der Kampf stand auf des Messers Schneide, er brauchte sich nur zu bücken und das Messer nach unten zu rammen.
Das tat er nicht.
Statt dessen starrte er auf mein Kreuz, und meine Hoffnung schien sich zu erfüllen.
Bannte es ihn?
Ich wartete ab. Sekunden zogen sich in die Länge, kein anderer aus dem Kreis griff ein. Jeder spürte, daß hier ein Mensch vor dem Teufelsdiener stand, der ihm ebenbürtig war.
Oder nicht? Wie sollte ich sonst sein Lachen verstehen, das mir entgegenhallte?
»Das Kreuz!« keuchte er, »das verfluchte Kreuz! Weißt du überhaupt, was du da hältst? Ich kann mich erinnern, daß es schon einmal jemand versucht hat, mich damit zu vernichten. Es ist ihm nicht gelungen, weil ich besser gewesen bin. Und ich werde immer besser sein. Ich besitze die Waffe, die aus dem Feuer der Hölle geschmiedet ist. Dieses kleine Messer hier wird das Blut aus den Körpern holen und den Brunnen damit füllen. Ihr könnt versuchen, was ihr wollt, ihr habt alle keine Chance. Komm her mit deinem Kreuz, komm her!«
Mich irritierte diese Sicherheit. Sollte er tatsächlich dagegen immun sein?
Seine rechte Hand zuckte einige Male. Es sah so aus, als wollte sie dem Himmel entgegenstoßen. Und plötzlich löste sich aus der Waffe ein ungewöhnlicher Blitz, der sich gedankenschnell um seinen Körper legte, als wäre er ein Schutzmantel.
Genau in dieser Sekunde fiel der Schuß!
***
Suko hatte seine Schulter etwas angehoben. Nur so war es ihm gelungen, zur Seite zu rollen und sich auch von dem Gewicht der Frau zu befreien. Durch seinen Schädel zuckten die Stiche, aber Suko gehörte zu den Menschen, die nicht aufgaben.
Und er war bewaffnet!
Unter der dicken
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