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0679 - Der Schrecken von Botany Bay

0679 - Der Schrecken von Botany Bay

Titel: 0679 - Der Schrecken von Botany Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zu ergreifen, die er dann in einen Haufen Pandanus-Blätter warf, die sofort aufflammten. So war das Feuer für die Menschheit gerettet. Danach erstieg Kanaula den Himmel und wurde zu einem Regenbogen, Mulara lebt seither als Fledermaus in den Bäumen, und Umwala zog sich in die Mangrovensümpfe zurück, um dort als riesiger Krebs zu wohnen. Wann immer du nun einen Regenbogen siehst - und nicht nur dann -erinnere dich an Kanaula und bemühe dich zu verhindern, daß jene Dinge entwendet oder zerstört werden, die von existenzieller Bedeutung für das Überleben der Menschen sind.«
    Irgendeine Erinnerung schien bei der letzten Erzählung in Zamorra erwachen zu wollen, aber so intensiv er auch überlegte, sie wurde nicht stärker, trat nicht hervor. Er glaubte, die Geschichte schon einmal gehört zu haben. Aber wann und von wem?
    »Eine lehrreiche Geschichte«, sagte er vage.
    »Alle diese Geschichten lehren uns vieles«, sagte Guajahli. »Denn sie entstammen dem Ursprung alles Seins, und sie gelten immer und zu jeder Zeit. Was die Schöpferwesen uns sagen, hat immer währenden Bestand, so lange ein Mensch atmet.«
    »Schöpferwesen«, murmelte Zamorra. »Der Regenbogenmann, der Krebsmann, der Krokodilmann…«
    »Sie alle sind immer und überall«, sagte Guajahli. »In ihren Träumen erschaffen sie die Welt, durch die wir unsere Wege suchen.«
    »Erschaffen, sagst du. Nicht erschufen. Für euch dauert die Weltschöpfung immer noch an?«
    »Immer noch? Ich verstehe nicht ganz«, sagte der Schamane. »Ihr Weißburschen denkt so seltsam. Die Träume sind doch in uns, und stets, wenn wir an sie denken und mit ihnen fließen, schaffen wir sie neu. Zugleich erschaffen sie uns und die Pfade, auf denen wir leben.«
    »Und die Bilder…«
    Zamorra ließ seinen Blick über die Zeichnungen gleiten. Die seltsamen Formen und Striche, die Kreise und Punkte, die sich auf dem grauen Fels verteilten, ergaben für ihn keinen klaren Sinn. Obwohl der Schamane sich bemühte, den Zusammenhang zwischen dem Schöpfungsmythos der Eora und den Bildern zu erklären, war der Parapsychologe sich nicht sicher, ob er ihn richtig verstanden hatte.
    »Die Bilder erzählen die Geschichten?«, vergewisserte er sich.
    Der Schamane nickte.
    »Aber die Tiere und Menschen sehen nicht so aus wie diese Formen. Bedeutet das, dass ihr nicht das Äußere malt, sondern die Persönlichkeit, das Innere?«
    Gulajahli legte den Kopf schief. »Ich verstehe den Unterschied nicht.«
    Der Dämonenjäger seufzte, während er nach einem Vergleich suchte, der ihm das verdeutlichte. So einfach es gewesen war, mit dem Schamanen ins Gespräch zu kommen, so schwierig erwies sich eine tiefergehende Unterhaltung. Gulajahli kannte die Problematik anscheinend aus seinen Gesprächen mit anderen Weißen, denn er zeigte sich sehr geduldig und beantwortete sämtliche Fragen, die Zamorra hatte - soweit der Schamane sie verstand.
    »Nun«, setzte er zu einer Erklärung an. »Der Unterschied ist der gleiche wie zwischen Lüge und Wahrheit. Das Aussehen kann täuschen, aber das Innere des Menschen bestimmt, wie er wirklich ist.«
    Der Schamane schwieg einen Moment nachdenklich. »Ich verstehe«, sagte er dann. »So wie die Weißen sehen, dass wir keine Kleidung tragen und keine Häuser bauen und deshalb glauben, wir seien Tiere?«
    »So in der Art«, murmelte Zamorra mit einem mulmigen Gefühl. Er versuchte immer noch eine logische Erklärung für das plötzliche Auftauchen des Hühnerdiebs zu finden. Dieser scheinbare Zufall war ebenso verwirrend wie die Offenheit des Schamanen, der bereit war, einem völlig Fremden die Mythen und Heiligtümer seines Stammes zu zeigen. Oberflächlich betrachtet konnte man das mit der Dankbarkeit für die Rettung Wantaparis begründen, aber wenn Zamorras Verdacht stimmte, dann war der Mann nie wirklich in Gefahr gewesen. Der Dämonenjäger wurde den Eindruck nicht los, unwissend zum Teil eines größeren Plans geworden zu sein.
    »Wenn die Weißen«, sagte Gulajahli in diesem Moment, »den Unterschied zwischen dem Äußeren und dem Inneren kennen, werden sie doch schnell begreifen, dass wir keine Tiere sind, oder?«
    Er bemerkte Zamorras zweifelnden Blick und grinste plötzlich. »Du hast Recht. Ich glaube das auch nicht. Lass uns zurück zum Lager gehen, das Essen müsste bald fertig sein.«
    Mit großer Geschicklichkeit sprang er über einige Felsen, bis er den Boden erreicht hatte. Das Lager lag nur wenige Meter entfernt. Auch das Meer konnte nicht

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