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0679 - Der Schrecken von Botany Bay

0679 - Der Schrecken von Botany Bay

Titel: 0679 - Der Schrecken von Botany Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ihn von Botany Bay trennte. Es wäre kürzer gewesen, den Strand entlangzugehen, aber der wurde gut bewacht - noch zumindest, denn wenn sein Plan aufging, würde er schon bald wie ein König über den Sand schreiten. Vorausgesetzt, er behielt seinen Einfluss über den Schamanen, den der Fremde möglicherweise gefährdete.
    Thomas Watling war kein gewalttätiger Mann, aber als er durch das hohe Gras lief mit der drohenden Nacht hinter sich und der Aussicht auf eine lebenslange Verbannung vor sich, dachte er zum ersten Mal in seinem Leben an Mord. Mit jedem Schritt verlor der Gedanke mehr von seinem Schrecken…
    ***
    Die lange Reihe der Sträflinge bewegte sich schlurfend und kettenklirrend vorwärts. Um sie herum standen die mit Musketen bewaffneten Soldaten des Rum Corps. Die meisten von ihnen hatten ihre Uniformjacken geöffnet und gingen barfuß. Seit der Gouverneur nach England zurückgekehrt war, hatte die Macht des Rum Corps zwar zugenommen, die Disziplin hingegen war geschwunden.
    Captain John Macarthur, der ein Stück hinter dem Proviantmeister stand und die Vorratsausgabe an die Sträflinge beobachtete, störte das nicht. Solange seine Männer eine Muskete in der Hand hielten und pünktlich zum Dienst erschienen, konnten sie aussehen, wie sie wollten.
    »Das ist doch kein Pfund«, beschwerte sich in diesem Moment eine laute Stimme im Londoner Dialekt. »Sie müssen sich irren.«
    Macarthur trat näher an den Proviantmeister heran, einen älteren Mann, der ständig nervös zwinkerte. Er hatte seinen Ausgabetisch direkt unter dem wehenden Union Jack aufgebaut, als wolle er damit seine Autorität demonstrieren. Neben dem Tisch standen einige Fässer, aus denen einfache Soldaten Pökelfleisch, Mehl und Essig schöpften. Der Proviantmeister zeigte schulterzuckend auf die Waage. »Sieh hin, Cooper. Genau ein Pfund.«
    Der große, kräftige Sträfling blieb stur stehen. »Das ist kein Pfund Fleisch, selbst wenn man die Maden mitwiegt«, beharrte er.
    Einige der anderen Gefangenen, die ihre Ration bereits erhalten hatten, schlurften neugierig zurück zum Tisch. Anscheinend hatten sie die geringere Menge ebenfalls bemerkt, es aber nicht gewagt, dagegen zu protestieren.
    Macarthur seufzte. Dieser Cooper war ein Störenfried, der nicht intelligent genug war, aus seiner einmaligen Begegnung mit der Peitsche zu lernen.
    »Was ist hier los?«, unterbrach er die Diskussion.
    Cooper räusperte sich nervös. »Sir, ich glaube, der Proviantmeister irrt sich, Sir. Das ist doch kein Pfund, oder?«
    Der Captain betrachtete scheinbar interessiert die Waage, nahm das Gewicht in die Hand und stellte es wieder ab.
    »Nun, da ist ein Pfundgewicht auf der einen Seite und ein Stück gutes englisches Pökelfleisch auf der anderen. Die Waage ist im Gleichgewicht, also ist es ein Pfund, richtig? Außer natürlich du möchtest einen Offizier Seiner Majestät des Betrugs bezichtigen. Dann würde ich selbstverständlich ein Verfahren zur Klärung der Angelegenheit einleiten.«
    »Ich meine doch nur…«, setzte Cooper an, aber ein anderer Sträfling packte ihn am Arm und zog ihn zur Seite. Macarthur erkannte, dass es sich um den Schmied Buchanan handelte, der jetzt an Coopers Stelle antwortete.
    »Verzeihen Sie seine übereilten Worte. Er hat nun mal kein gutes Augenmaß, Sir. Das stimmt doch, Eddie?«
    Macarthur sah es in den Augen des großen Gefangenen blitzen. Für einen Moment schien es, als wolle er den gut gemeinten Rat seines Freundes ignorieren, doch dann siegte seine Vernunft über die Wut. »Ja, Sir«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen. »Es tut mir leid, Sir.«
    Der Captain nickte gönnerhaft und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Er hatte keine Zeit, sich weiter mit solchen Kleinigkeiten zu befassen, denn die Sonne würde bald untergehen. Er musste sich vorbereiten.
    Mit langen Schritten ging er auf den ehemaligen Privatstall des Gouverneurs zu, der jetzt von Major Francis Grose genutzt wurde. Macarthur blieb vor dem breiten Holztor stehen und klopfte.
    »Wer ist da?«, fragte eine Stimme aus dem Inneren des Stalls.
    »Macarthur, Sir.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er das Tor einen Spalt und trat ein. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Vereinzelte Sonnenstrahlen drängten durch die schlecht angepassten Bretter ins Innere und ließen den Staub in der Luft tanzen. Es roch nach Pferden und Heu. Eines der Tiere schnaubte nervös in seiner Box.
    »Sir?«, horchte

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