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0679 - Der Schrecken von Botany Bay

0679 - Der Schrecken von Botany Bay

Titel: 0679 - Der Schrecken von Botany Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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allzu weit weg sein, denn jetzt, wo der Eora mit seinem deftigen Gestank nicht mehr neben Zamorra stand, konnte der das Salz in der Luft riechen. Irgendwo hinter den Felsen und den Bäumen musste der Ozean liegen.
    Der Dämonenjäger folgte Gulajahli. Er wollte gerade ebenfalls zum Sprung über die Felsen ansetzen, als sein Blick auf eine kleinere Zeichnung fiel, deren Farben noch frisch zu sein schien. Die Darstellung entsprach nicht den anderen Zeichnungen, auch wenn Zamorra nicht genau sagen konnte, was sie bedeuten sollte.
    »Was ist das?«, rief er Gulajahli zu und zeigte auf das Bild.
    Der Schamane kletterte ein Stück die Felsen hinauf und kniff die Augen zusammen, um die Darstellung besser sehen zu können. Zumindest tat er so, denn Zamorra war sich sicher, dass er jede einzelne Zeichnung in diesen Felsen sehr gut kannte.
    »Ich kann dir nicht sagen, was das ist«, antwortete er dann. »Es ist ein Mensch, zumindest meistens. Aber etwas ist in ihm, das nach draußen drängt, so wie eine Quelle aus der Tiefe. Wir haben diese Zeichnung an den heiligen Felsen gemalt, damit der Geist, der hier lebt, diesen Menschen erkennt und uns vor ihm schützt.«
    Gulajahli zögerte einen Moment. »Zwei junge Frauen und ein Krieger sind bereits gestorben. Wie ein Schatten dringt er lautlos in unser Lager ein und tötet. Er ist kein Tier, obwohl er seine Beute wie ein Tier reißt. Und er ist groß, viel größer als ein Dingo.«
    Er zeigte auf einen der halbwilden Hunde, die sich am Rande der Felsen knurrend um einen Knochen stritten.
    Zamorra sah ihn an. Ein Verdacht keimte in ihm auf. »Kommt er nur zu bestimmten Zeiten in euer Lager?«, hakte er nach.
    Der Schamane nickte. »Wenn der Mond voll ist so wie heute. Aber dieses Mal werden wir ihn mit Hilfe der guten Geister vertreiben. Bei Einbruch der Dunkelheit werden alle in die große Höhle gehen und wenn er kommt, werden die Krieger ihn mit ihren Speeren und Bumerangs töten.«
    Nein, dachte Zamorra, das werden sie nicht. Kein Speer kann eine solche Kreatur vernichten. Er tastete nach dem Amulett, das an einer Kette um seinen Hals hing.
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden stand er vor dem gleichen Problem. Sollte er diese Menschen ihrem Schicksal überlassen, so wie es der Zeitstrom vorsah, oder sollte er ihnen helfen und damit möglicherweise mehr zerstören, als er rettete?
    Er machte sich keine Illusionen darüber, wie seine Entscheidung ausfallen würde. Auch wenn er die Konsequenzen seines Handelns in dieser Situation nicht überblicken konnte, so war er doch in erster Linie ein Mensch, und als solcher hatte er die Pflicht, anderen zu helfen. Wenn er mit diesem Prinzip brach, dann stellte er sich auf die gleiche Stufe wie die Dämonen der Hölle, die er seit Jahrzehnten bekämpfte. Und dazu war er nicht bereit. Aber einen akzeptableren Ausweg sah er auch nicht, denn helfen musste er diesen Menschen. Er war sich sicher, dass Wantapari und die anderen gute Krieger waren, aber in diesem Fall hatte keiner von ihnen eine Chance.
    Nicht gegen einen Werwolf.
    ***
    Thomas Watling zog sich vorsichtig durch die Bäume zurück. Zwar hatte er die Unterhaltung zwischen Gulajahli und dem Fremden nur bruchstückhaft mitverfolgen können, aber es war deutlich geworden, dass der Schamane sich wesentlich offener geäußert hatte, als Watling es gewohnt war.
    Wieso interessierte dieser Unbekannte den Schamanen so sehr? Und wo kam der Mann überhaupt her? Es war mehr als einen Monat her, seit der letzte Walfänger Vorräte in Botany Bay an Bord genommen hatte. Watling war sicher, dass er einen neuen Bewohner der Siedlung bemerkt hätte. In jedem Fall war der Fremde weder ein Sträfling noch ein Soldat. Das ließ nur noch eine Möglichkeit offen: Er musste ein freier Siedler sein, aber von denen gab es rund um die Bucht nicht mehr als zwei Dutzend, und auch die kannte der Fälscher alle. Dass er aus einer der anderen Siedlungen, Sydney Cove oder Paramatta kam, glaubte Watling auch nicht, denn der Fremde hatte kein Pferd und trug auch keine Vorräte bei sich. Aber woher kam er dann?
    Der Fälscher kratzte sich nachdenklich am Kopf und warf einen prüfenden Blick auf den Stand der Sonne. Er fluchte leise, als er sah, dass der gelbe Ball nicht mehr weit über den Baumwipfeln stand. Das hieß, dass er sich beeilen musste, wenn er die Siedlung noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollte.
    So schnell er konnte kletterte er an den Felsen entlang, bis er die Hochebene erreichte, die

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