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0679 - Der Schrecken von Botany Bay

0679 - Der Schrecken von Botany Bay

Titel: 0679 - Der Schrecken von Botany Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Zeitlupe, drehte sie sich zu ihren Gefangenen um. Watling krallte seine Hand in Nicoles Arm. Er hoffte wohl noch, dass er mit seinem Verdacht falsch lag, aber Nicole wusste, dass seine Hoffnung vergebens war. Sie hatte die Wahrheit in dem Moment erkannt, als sie die Bandagen an den Händen und Füßen der Unbekannten sah. Es war nicht mehr nötig, ihr zerstörtes Gesicht zu sehen.
    Nicole wusste, dass die Frau an Lepra erkrankt war.
    ***
    Die beiden Aborigines gingen am menschenleeren Strand entlang. Das kühle Salzwasser umspülte ihre Beine und verschaffte ihnen in der Hitze der Mittagssonne etwas Erleichterung. Wantapari sah hinaus aufs Meer. Weit draußen wurden die hohen Wellen des Ozeans gegen das Riff geworfen, das die gesamte Bucht umgab. Die zerklüfteten Felsen brachen die Macht des Wassers und ließen es sanft in die Bucht rollen. Was hinter dem Riff lag, wusste keiner der Eora, denn ihre Kanus waren zu zerbrechlich, um die Felsen zu überwinden.
    Wantapari bemerkte aus dem Augenwinkel einen kleinen Krebs, der sich im Sand zu tarnen versuchte. Blitzschnell griff der Aborigine zu und packte das Schalentier so, dass dessen Zangen ihn nicht verletzen konnten. Er hebelte die gräuliche Schale auf und zog genussvoll das Fleisch in seinen Mund. Dann brach er die Scheren ab. Gulajahli nahm sie dankend entgegen.
    »Ist das nicht das nicht das Paradies, mein Freund?«, sagte er. »Krebse, die man einfach so fangen kann. Austern, die man nur aus dem Fels schälen muss, um sie zu essen? Sträucher voller Beeren und Ebenen, auf denen du mit jedem Speer ein Känguru triffst. Könnte die Welt besser sein?«
    »War sie denn einmal anders?«, entgegnete Wantapari.
    Der Schamane blieb stehen. »Das ist die Frage, die dich beschäftigt, nicht wahr? Deshalb wolltest du auch nicht, dass wir uns im Lager unterhalten, wo die anderen zugehört hätten.«
    Der Krieger nickte nur und warf die Überreste des toten Krebses achtlos zur Seite.
    »Ja«, sagte Gulajahli, während er abwesend zusah, wie der Ozean mit den leeren Schalen spielte. »Die Welt war einmal anders. Sie hatte sich gegen uns gestellt. Wir waren…«
    Er suchte nach den richtigen Worten und zeigte dann auf die Schalen, die von den Wellen hin und her geschleudert wurden.
    »… wie diese Schalen«, fuhr er fort. »Leere Hüllen, die hilflos einer größeren Macht ausgeliefert waren. Sie spielte mit uns, bis sie die Lust daran verlor und uns einfach zerschmetterte.«
    »Was war das für eine Macht?«
    Der Schamane lächelte. »Das spielt keine Rolle mehr. Es hat sie niemals gegeben.«
    Wantapari sah ihn nachdenklich an. Es gefiel ihm nicht, dass Gulajahli sich mit. Geheimnissen umgab. Damit hob er sich vom Rest des Stammes ab, so als wolle er dessen Führung übernehmen. Die Eora hatten stets ohne Anführer gelebt. Ein Mann wie Wantapari wurde zwar wegen seiner Schnelligkeit und seiner Kraft respektiert, aber er konnte niemandem etwas befehlen. Alle Entscheidungen wurden gemeinsam getroffen - ohne Bevorzugung. Durch Gulajahlis Verhalten geriet dieses gut funktionierende System in Straucheln, denn die Mitglieder des Stammes spürten, dass er ihnen Wissen vorenthielt, und wurden unsicher.
    »Du solltest allen davon erzählen«, sagte Wantapari.
    Der Schamane schüttelte den Kopf. »Nein, die meisten würden es doch nicht verstehen. Bei dir ist das etwas anderes. Dein Blick ist klar. Du siehst mehr als sie.«
    Tue ich das wirklich, oder will er mich nur davon abhalten, mit den anderen darüber zu sprechen? , fragte sich der Krieger. Laut stellte er jedoch eine andere Frage, über die er lange nachgedacht hatte und vor deren Beantwortung er sich insgeheim fürchtete.
    »Warum wird es nicht mehr dunkel?«, fragte er.
    ***
    Australien 1794:
    »Die Regenbogenschlange verlieh unseren Ahnen die Gestalt von Tieren, damit sie durch das Land ziehen konnten. Jedem Ding, das sie sahen, gaben sie einen Geist. Eines Tages sah Willanjee, der Eidechsenmann, einige Wesen aus Lehm, die traurig neben einer Wasserstelle standen. Willanjee ging zu ihnen und fragte, warum sie nicht fröhlich seien. Als die Wesen seine Frage nicht beantworteten, fiel dem Eidechsenmann auf, dass sie keinen Mund besaßen. Und so nahm er einen Ast vom Boden auf und schnitzte einen Mund in den Lehm. Aber die Wesen antworteten immer noch nicht, also nahm Willanjee erneut den Ast und gab ihnen Ohren. Er fragte wieder, warum sie traurig seien. Die Lehmformen klagten, sie seien durstig, könnten jedoch nicht

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