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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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eine Lampe brannte, wenn niemand im Stall war. Die Feuergefahr war zu groß für ein so leichtsinniges Verhalten. Seltsam war auch, dass keine Pferde zu sehen waren.
    Buchanan zog den Kopf zurück. »Da ist kein Monster.«
    »Es war eben noch da. Du musst mir glauben.« Murphy zögerte kurz. »Na ja, es ist vielleicht nicht ganz so groß, wie ich gedacht habe«, gab er dann kleinlaut zu. »Vielleicht keine zehn Fuß, sondern nur sechs.«
    »Und vielleicht war es auch kein Monster, sondern nur ein Soldat, der die Pferde aus dem Stall geholt hat,« entgegnete der Schmied missmutig. »Komm mit.«
    »Wo willst du hin?«
    »In den Stall. Irgendein Idiot hat vergessen, die Lampe zu löschen. Wenn die umkippt, brennt hier alles ab.«
    Der Schmied ging um das Gebäude herum und blieb überrascht stehen, als er die Pferde sah, die an der Vorderseite festgebunden waren. Eines von ihnen war gesattelt und schweißnass. Es musste vor kurzem erst geritten worden sein.
    »Das ist Macarthurs Pferd«, flüsterte Murphy neben ihm. »Ich hab dir ja gesagt, dass er dabei war.«
    Buchanan antwortete nicht. Die Angelegenheit wurde immer merkwürdiger. Er kannte keinen Offizier, der sein Pferd ohne Versorgung einfach stehen ließ. Die meisten von ihnen behandelten Menschen wie Dreck, aber zu ihren Pferden waren sie immer korrekt. Das galt ganz besonders für Macarthur.
    Der Schmied warf einen Blick auf die Stalltür, die von einem großen Vorhängeschloss gesichert war. Was, wenn Murphy doch recht hatte und sich dahinter wirklich ein Monster befand? Buchanan hatte nie geglaubt, dass etwas Übernatürliches bei Vollmond sein Unwesen trieb. Er war stets der Ansicht gewesen, es handele sich um ein einheimisches Tier, das einfach noch niemand gesehen hatte. Aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
    »Was hast du vor?«, fragte Murphy alarmiert, als der Schmied ein kleines Messer zog und in das Vorhängeschloss steckte.
    »Ich will wissen, was hier los ist.«
    Buchanan brauchte weniger als eine Minute, um das Schloss zu knacken. Das war, dachte er bedauernd, ein Talent, das maßgeblich für seine Reise nach Botany Bay verantwortlich war.
    Er zog die Tür einen Spalt auf. Der typische Geruch nach Pferd und Heu schlug ihm entgegen, aber da lag noch etwas anderes in der Luft, etwas Stechendes.
    »Ich geh da nicht rein«, protestierte Murphy leise.
    »Dann bleib draußen,« knurrte Buchanan und betrat den Stall.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass der Seemann ihm folgte und die Tür schloss. Anscheinend hatte er mehr Angst davor, allein zu sein, als sich mit Buchanan in die sprichwörtliche Höhle des Löwen zu wagen.
    Löwen, dachte der Schmied plötzlich. Das war es, woran ihn der stechende Geruch erinnerte. Vor einigen Jahren hatte er in London einmal einen Zirkus gesehen, der seine Raubtiere zur Schau gestellt hatte. Vor den Löwenkäfigen hatte es fast genauso gerochen wie jetzt hier im Stall.
    Er schluckte und ging langsam bis zu dem Balken, an dem die Petroleumlampe hing. Murphy ging so dicht hinter ihm, dass er seinen Atem im Nacken spüren konnte.
    »Halt ein bisschen Abstand«, flüsterte er. »Du machst mich nervös.«
    »Tschuldigung…«
    Der Schmied nahm die Lampe vom Balken. Das Licht flackerte und ließ die Schatten tanzen.
    Etwas knurrte.
    Die beiden Männer fuhren herum.
    Ihre Augen weiteten sich.
    ***
    Macarthur mühte sich ein falsches Lachen über den schlechten Witz des Corporals ab. Der schien jedoch nicht überzeugt zu sein, dass sein Vorgesetzter die Pointe verstanden hatte, denn er wiederholte sie noch einmal. »Verstehen Sie, Sir? Er ist nicht gekommen, na? Ist der gut?«
    »Ja, den muss ich mir merken.«
    Macarthur ging etwas schneller. Es war reines Glück gewesen, dass er so früh am Morgen einen Soldaten getroffen hatte, der keinen Wachdienst hatte und deshalb auch nicht so schnell vermisst werden würde. Corporal Dan Harris hatte sich äußerst kooperativ gezeigt, was wohl auch daran lag, dass er gerade aus den Frauenbaracken kam, in denen er sich laut Dienstvorschrift nicht aufhalten durfte. So hatte er sofort zugestimmt, als Macarthur ihn um einen nicht näher beschriebenen, persönlichen Gefallen bat. Bis jetzt war es dem Captain erfolgreich gelungen, den Gedanken an das Schicksal, das dem Soldaten bevorstand, zu verdrängen. Aber in dem Moment, als er vor der Stalltür stehen blieb, schoss es wie Galle in ihm hoch.
    »Was wollen wir denn hier, Sir?«, fragte Harris.
    Macarthur lächelte verzerrt. »Mein

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