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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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langer Zeit zu uns kamen? Damals erklärten sie uns, wenn wir einen von ihnen töten, werden sie zehn von uns töten. Es ist nur gerecht, dass wir das gleiche Gesetz anwenden. Sie haben einen Freund der Eora getötet und damit große Schande über den Stamm gebracht. Ich sage: Wir töten zehn von ihnen! Erst dann wird Zamorras Geist ruhen.«
    Wieder war es Doolooai, der über die Äußerungen der anderen hinweg brüllte. »Du bist verrückter als ein rasender Dingo, wenn du glaubst, zehn Weiße töten zu können, ohne dass die restlichen Soldaten uns alle umbringen! Ich sehe hier keine Musketen, Kanonen oder Schwerter Ich sehe nur Speere und Bumerangs. Keiner von uns…«
    »Wantapari hat recht«, unterbrach ihn Gulajahli. »Der Tod des Weißen muss gerächt werden.«
    Die Stimme des Schamanen klang dumpf, so als wäre er an einem weit entfernten Ort.
    Er spricht aus der Traumzeit zu uns, erkannte Wantapari.
    »Aber wie sollen wir das machen?«, fragte Doolooai fast schon verzweifelt. »Wir haben nicht die nötigen Waffen.«
    Gulajahli lächelte plötzlich. »Wir haben alles, was wir brauchen, denn wir werden nicht wie Eora kämpfen, sondern wie…«
    Er hielt inne. Seine Lippen formten sich um ein neues, schwieriges Wort. »… wie Terroristen.«
    Die Männer sahen sich irritiert an. Keiner von ihnen hatte dieses Wort schon einmal gehört, aber wenn Gulajahli sicher war, sie würden siegreich sein, wenn sie kämpften wie der Stamm der Terroristen, dann glaubten sie ihm das. Der Schamane hatte immer zum Wohl der Eora gehandelt.
    Und so stimmten sie zu, Rache für den Tod des Weißen zu nehmen.
    Das Verhängnis nahm seinen Lauf.
    ***
    Gegenwart
    Mit einem trockenen Knall fiel der Eingang zum Keller des Farmgebäudes in sich zusammen. Weißer Staub stieg in einer Wolke nach oben und wurde vom Wind über die Ebene getragen.
    Nicole nutzte den kurzen Moment, in dem die Kriegerpriester abgelenkt waren, und raunte Watling zu: »Sag ihnen nichts. Du weißt nicht, was du damit anrichtest.«
    Der Engländer senkte den Kopf. »Das stimmt vielleicht, aber ich weiß, dass ich kein Gefangener mehr sein will. Weder hier noch in Australien oder Frankreich. Du kannst mir keine Alternative bieten, er vielleicht schon.«
    Er warf einen Blick auf Rai-Doukan, der einem seiner Männer ein paar Anweisungen gab und sich dann wieder an Nicole und Watling wendete.
    »So«, sagte er erwartungsvoll, »was ist mit diesen Blumen?«
    Die Informationen sprudelten aus Watling heraus wie aus einem Wasserfall. Nicole musste hilflos mit anhören, wie er den Männern, die fasziniert lauschten, alles über Reisen durch Raum und Zeit erzählte und sich selbst als Experte darstellte. Es war erstaunlich, wie lange er brauchte, um das Wenige, das er wusste, mitzuteilen.
    »Ihr seht also«, sagte er schließlich, »wie überaus nützlich diese Blumen und meine Wenigkeit für Euch sein könnten. Bitte denkt daran, wenn Ihr Eure Entscheidung trefft.«
    »Stimmt es, was er sagt?«, fragte Rai-Doukan ohne jeden weiteren Kommentar Nicole.
    Die hob die Schultern. »Würdest du mir glauben, wenn ich nein sage?«
    Der Anführer der Maskierten grinste. »Ich danke dir dafür, dass du meine Intelligenz nicht unterschätzt.«
    »Wenn du wirklich so intelligent bist«, entgegnete Nicole, »dann willst du doch sicher nicht ein Leben lang durch Raum und Zeit gejagt werden? Aber genau das wird passieren, wenn du die Blumen benutzt. Es gibt Menschen, die dich verfolgen werden. Du wirst immer auf der Flucht sein. Willst du das dir und deinen Leuten wirklich zumuten?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    Die Antwort brachte sie für einen Moment aus dem Konzept. Die Männer, die um sie herum standen, lachten, als sie Nicoles Unsicherheit bemerkten.
    Rai-Doukan legte ihr freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Lass es mich erklären. Alle, die hier stehen, haben einen Großteil ihres Lebens auf dieser Insel verbracht. Manche von uns«, er nickte zwei Vermummten zu, »wurden sogar hier geboren. England ist unsere Heimat und keiner von uns würde sich in der Welt da draußen zurechtfinden - egal in welchem Land und zu welcher Zeit. Hier wagt es niemand, sich gegen uns zu stellen, und wenn doch«, er warf einen kurzen Blick auf den qualmenden Kellereingang, »dann zahlt er den Preis dafür. Hier sind wir die Herrscher, und wie heißt es doch so schön: Es ist besser in der Hölle zu herrschen, als im Himmel zu dienen.«
    »John Milton, Das verlorene Paradies«, kommentierte

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