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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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alles preisgegeben, hatten zum Beispiel nicht enthüllt, warum sie nicht früher eingegriffen hatten oder warum sie nicht selbst die Pfade veränderten. Wie Merlin schickten sie einen Menschen, den sie kaum informiert hatten, los, um die Drecksarbeit für sie zu erledigen. Vielleicht war das ein Charakterzug, der automatisch entstand, wenn man nur die großen Zusammenhänge beachtete und das Schicksal einzelner Menschen als nebensächlich einstufte.
    Zamorra schüttelte den Gedanken ab.
    Nacheinander sah er die Traumzeitwesen an. Zumindest Pata schien zu ahnen, wie er sich entschieden hatte, denn sie nickte aufmunternd.
    Der Parapsychologe hob die Schultern.
    »Ich werde es versuchen«, sagte er.
    ***
    Gegenwart
    Als die Abenddämmerung zur Nacht wurde, kam Nicole stöhnend zu sich. Eine Weile blieb sie einfach nur mit halb geschlossenen Augen auf dem Boden liegen, bis ihr stetig schlimmer werdender Durst sie zum Unvermeidlichen zwang: Nicole setzte sich auf.
    Und stöhnte erneut, als ihr Kopf zu zerspringen drohte. Sie tastete nach der Stelle am Hinterkopf, wo der stechende Schmerz seinen Ursprung zu haben schien, und berührte getrocknetes Blut. Womit auch immer sie kollidiert war, es hatte sie ziemlich hart getroffen.
    Hoffentlich ist das keine Gehirnerschütterung, dachte sie besorgt und richtete sich langsam auf. Die Kopfschmerzen wurden zwar stärker, aber die anderen befürchteten Symptome blieben aus.
    »Glück gehabt«, sagte Nicole zu sich selbst. Sie sah sich um und erkannte, wie viel Glück sie tatsächlich gehabt hatte.
    Um sie herum lagen die Trümmer des Flugzeugs, verbogenes und geborstenes Metall, das vom Feuer geschwärzt war und teilweise immer noch rot glühte. Brennende Öllachen bedeckten den Boden. Einzelne Propellerblätter hatten sich wie die Dolche eines riesigen Messerwerfers in die Mauerreste gebohrt.
    Dort, wo sich die Regenbogenblumen befunden hatten, gähnte ihr ein Krater entgegen. Es war fast ein Wunder, dass die Französin von nichts aufgespießt oder verbrannt worden war.
    »Thomas?«, rief Nicole, als sie den Engländer nirgends entdecken konnte.
    Niemand antwortete.
    In der Stille klang das Knacken des abkühlenden Metalls überlaut. Die Dämonenjägerin ging unschlüssig zwischen den Trümmern umher und fand schließlich zumindest den Dhyarra und den Blaster. Nur Watling blieb verschwunden.
    Inzwischen war der Durst fast unerträglich geworden. Nicole wusste, dass sie dringend etwas zu trinken finden musste, schreckte aber gleichzeitig davor zurück, sich von den Ruinen zu entfernen. Sie befürchtete, dass Watling in Panik davongelaufen war oder einen Schock davongetragen hatte und hilflos über das Land irrte. Überrascht hätte sie das zumindest nicht, denn schließlich wurde man nicht jeden Tag beinahe von einer fliegenden Maschine erschlagen, von deren Existenz man fünf Minuten zuvor noch nicht einmal etwas geahnt hatte.
    Oder er ist längst tot, dachte Nicole mit einem mulmigen Gefühl. Sie blickte zu einem Punkt zwischen den Ruinen, wo sich die Trümmer meterhoch stapelten. Wenn er dort hineingeraten war…
    Zumindest das konnte sie herausfinden. Sie aktivierte den Dhyarra-Kristall und konzentrierte sich, so gut, wie es ihre Kopfschmerzen zuließen. Sie übermittelte dem Sternenstein die bildliche Vorstellung von durchscheinend werdenden Metalltrümmern, durch die sie sehen konnte, was sich darunter verbarg. Zumindest hoffte sie, dass sie das tat.
    Der Kristall interpretierte ihre Aufforderung jedoch anders.
    Und Nicole erlebte eine Überraschung.
    ***
    Australien 1794
    Wantapari träumte. Er ging über eine sonnige Lichtung. Unter einigen Eukalyptusbäumen saßen die Frauen des Stammes und häuteten ein Känguru. Einige Krieger werkelten an Speeren herum. Es war ein Anblick, den Wantapari fast jeden Tag sehen konnte, denn das Leben der Eora bot nicht viel Abwechslung. Manchmal schärften die Jäger Speere, manchmal schnitzten sie Bumerangs. An wieder anderen Tagen bauten sie ein Boot aus einem Baumstamm, während die Frauen Beeren sammelten, Fischnetze woben oder Tiere häuteten, um die Felle in der Sonne zu trocknen. Seit Jahrtausenden brachten die Alten den Jungen diese Tätigkeiten bei, ohne Veränderung oder Verbesserung. Alles wiederholte sich in einem ständigen Kreislauf. Wantapari konnte sich selbst im Traum nicht vorstellen, dass es je anders sein könnte.
    Er verließ die Lichtung und durchquerte einen dunklen Wald. Schließlich erreichte er den Rand einer

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