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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Preis.
    Zamorra fragte sich, wie viel Gulajahli in dieser Zeit von den Ereignissen der Zukunft wusste und welchen Einfluss er darauf nehmen konnte.
    Der Schamane begann leise zu lachen und lehnte sich gegen einen der Felsen.
    »Weißt du, wie oft ich schon gestorben bin?«, fragte er, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. »Es müssen weit mehr als tausend Mal gewesen sein. Der Tod hat seinen Schrecken längst für mich verloren. Aber mein Volk zählt immer noch so viel wie am ersten Tag. Für die Eora habe ich all das auf mich genommen.«
    Unwillkürlich musste Zamorra bei diesen Worten an Robert Tendyke denken. Der über 500 Jahre alte Freund war auch schon oft gestorben und immer wieder aus dem Totenreich zurückgekehrt. Genauer gesagt, er hatte es nie betreten, sondern einen Umweg gemacht, der ihn zur Feeninsel Avalon führte - und von dort wieder zurück zur Erde, in die Welt der Lebenden.
    Zamorra fragte sich, ob es hier eine Verbindung gab. Das legendäre Avalon befinde sich jenseits der Zeit, oder neben der Zeit, wie es oft formuliert wurde. Gab es hier eine Parallele zur Traumzeit? Konnte Tendyke, der jüngst als Ty Seneca wieder aufgetaucht war, nach jedem seiner »Tode« deshalb unversehrt und jung wie einst zurückkehren, weil Avalon überall und jederzeit war wie auch die Traumzeit?
    Zamorra schob die Überlegung in den Hintergrund zurück. Es war jetzt nicht die richtige Zeit, darüber zu philosophieren. Es ging um andere Dinge. Darum, dass er einem Menschen gegenüberstand, den er töten sollte. Unwillkürlich dachte er an die Baba Yaga. Auch sie sollte er töten, würde er töten müssen, eines Tages. Aber hier lagen die Dinge dennoch anders. Yaga war eine Hexe, die Zamorra mehrmals fast getötet hatte und die Böses bewirkte.
    Gulajahli dagegen hatte Zamorra bislang nichts getan. Und er war überzeugt, Gutes zu tun. Dass dem nicht so war, konnte er vielleicht nicht einmal begreifen. Aber sicher würde er von seinem Vorhaben nicht ablassen.
    Er war ein Vernichter und dennoch ein Philanthrop.
    Zamorra bemerkte, wie der Blick des Schamanen sich in der Vergangenheit verlor. Er musste lange darauf gewartet haben, jemandem, der ihn verstand, von seinen Taten zu erzählen. Dass es sich bei dem Jemand um seinen Feind handelte, spielte da keine große Rolle.
    »Der Zeitstrom ist trickreich wie eine alte Schlange«, fuhr Gulajahli fort. »Du glaubst, du hast ihn gefangen, dabei hältst du nur seine abgelegte Haut in der Hand. Wieder und wieder habe ich versucht, meinen Tod zu verhindern, aber er schickte immer neue Überraschungen. Er ließ mich durch einen Aufstand töten, einen Werwolf, einen Sträfling, einen plötzlichen Blitzschlag und sogar durch einen bösen Geist, der sich in einem Fisch verborgen hatte. Doch dann fand ich dich in der Zukunft, Zamorra, und ich erkannte, wie ich den Zeitstrom besiegen konnte. Ich schickte Watling in die Zukunft, um dich hierher zu bringen. Du hast den Werwolf vertrieben, der mich töten sollte und damit dafür gesorgt, dass es heute in der Kolonie zu einem Aufstand kommt. Alle Weißen dort werden sterben, dafür wird Wantapari mit seinen Kriegern sorgen, und ich werde diese Nacht überleben. Dann schließt sich der Kreis zwischen Vergangenheit und Zukunft. Mein Volk wird ewig leben, Zamorra, und das ist auch dein Verdienst.«
    Der Parapsychologe schüttelte den Kopf.
    »Nein, es wird nicht ewig leben. Du bringst es nur in eine Scheinwelt, wo nichts wirklich existiert. Dein Paradies ist so künstlich, dass sogar die Traumzeit sich daraus zurückzieht. Willst du dein Volk in diesen toten Raum schicken?«
    Der Schamane senkte den Blick. »Nein«, sagte er leise. »Ich will sie nicht dorthin schicken. Mein zukünftiges Ich ist anderer Meinung, aber ich möchte, dass sie hier bleiben, als Kinder der Traumzeit, nicht als Bewohner meines Traums.«
    In Zamorra keimte plötzlich Hoffnung auf. Vielleicht ließ sich die Situation ja doch noch mit Vernunft und nicht mit Gewalt lösen.
    »Dann schick sie nicht dorthin, Gulajahli. Lass sie in dieser Welt leben.«
    »In deiner Welt?«
    Zamorra runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was der Schamane meinte!
    Der sah auf. In seinen Augen blitzte es. »Es ist doch deine Welt, nicht wahr? Und die der anderen Weißen. Ich weiß, was ihr mit meinem Volk und all denen, die ihr Aborigines nennt, getan habt. Wie kannst du verlangen, dass ich die Eora in dieses Schicksal führe?«
    Der Parapsychologe hatte befürchtet, dass Gulajahli darauf

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