Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
dass sich jemand während einer Vollmondnacht aus dem von hölzernen Palisaden umgebenen Gelände wagte. Mit einem gestreckten Galopp hätte er nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
    Normalerweise, wenn er Grose auf der Jagd begleitete, blieb er am Tunnelausgang außerhalb des Lagers zurück, während der Werwolf durch den Geheimgang in den Stall zurückkehrte und sich dort bei Anbruch des Morgens wieder in einen Menschen verwandelte. Erst danach kam Macarthur ins Lager und tat so, als sei er von einem frühen Ausritt zurückgekehrt. Da er solche Ausritte häufig unternahm, dachte sich niemand etwas dabei.
    Heute jedoch hatte der Offizier nicht die Geduld dafür. Er musste wissen, was mit Grose passiert war!
    Macarthur erreichte den Stall, sprang vom Pferd und band es an einem Pfosten an. Er klopfte sich den Staub aus der Uniform. Egal ob Werwolf oder nicht, Grose war schließlich sein Vorgesetzter, und vor dem hatte er in ordnungsgemäßer Uniform zu erscheinen.
    Mit einem Stoßgebet schob der Offizier die schwere Stalltür einen Spalt nach außen und schlüpfte in den dunklen Raum. Es war völlig still.
    Nach der hellen Vollmondnacht war die Dunkelheit für Macarthur wie ein dunkles Tuch, das sich über sein Gesicht gelegt hatte. Er blieb neben der Tür stehen und wartete, bis sich seine Augen an das fehlende Licht gewöhnt hatten. Der Offizier hatte es noch nie gewagt, dem Major von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, wenn der zum Werwolf geworden war. Grose selbst hatte ihm davon abgeraten und angemerkt, er könne nicht dafür garantieren, Macarthur im Blutrausch zu erkennen.
    Zögernd löste sich der Captain von der Tür und dem Fluchtweg nach draußen. Er machte einen halbherzigen Schritt auf die Box zu, in der sich Grose vor wenigen Stunden verwandelt hatte.
    »Sir?«, flüsterte er. »Sind Sie hier?«
    Keine Antwort, nur ein leises Rascheln im Stroh.
    Ratten?, fragte sich Macarthur.
    »Sir?«, sagte er etwas beherzter. »Können Sie mich hören? Major?«
    Etwas knurrte plötzlich.
    Macarthur prallte zurück - und gegen einen Körper.
    ***
    Watling rannte keuchend durch das Lager. Es kümmerte ihn nicht mehr, ob die Soldaten ihn sahen und mit der Peitsche bestraften; er wollte einfach nur in Sicherheit sein.
    Die Holzbaracken der Sträflinge lagen rechts von ihm. Watling zögerte, als er sich fragte, ob er dorthin oder zu Buchanan gehen sollte, der sich eine eigene Hütte gebaut hatte. Er entschied sich für die Baracke, nicht nur, weil er selbst dort lebte, sondern weil er sich von einer größeren Anzahl von Menschen besseren Schutz erhoffte. Noch immer sah er in jedem Schatten die schreckliche Gestalt seines Angreifers.
    Mit letzter Kraft überbrückte der Fälscher die letzten Meter bis zur Baracke und warf sich dagegen. Er fiel buchstäblich mit der Tür ins Haus. Krachend gab sie nach und blieb unter ihm liegen.
    Um ihn herum schrien die Männer und Frauen überrascht auf. Ein paar von ihnen fuhren erschrocken von den Strohlagern hoch und versuchten ihre nackten Körper mit den schmutzigen Decken zu verhüllen. Andere ließen mit einer blitzschnellen Bewegung die Rumflaschen hinter sich verschwinden. Erst als sie bemerkten, dass es sich bei dem Eindringling nur um einen Sträfling und nicht um eine Patrouille handelte, entspannten sie sich wieder. Watling konnte ihre Aufregung gut verstehen, denn eigentlich herrschte bei den unverheirateten Gefangenen strikte Geschlechtertrennung, und Alkohol war ohnehin verboten.
    »Wasser«, krächzte der Fälscher heiser.
    Eddie Cooper tauchte eine Kelle in einen Eimer und reichte sie Watling, dessen Hände so stark zitterten, dass er mehr verschüttete als trank.
    Stille senkte sich über den Raum, den sich zwanzig Sträflinge teilten, in dem sich aber momentan über dreißig Männer und Frauen befanden. Zwei der Männer standen auf und halfen Watling auf eins der Strohlager. Andere stellten die Tür notdürftig zurück in den Rahmen, um den Ansturm der Insekten aufzuhalten. Die anderen warteten atemlos auf Watlings Geschichte.
    Der Fälscher enttäuschte sie nicht. Immer noch atemlos erzählte er ihnen von seinen Wanderungen durch den Busch, die ihn schließlich auf die Lichtung geführt hatten. Dabei unterschlug er seinen Besuch bei den Eora, denn davon sollte niemand wissen. Er berichtete, wie jemand plötzlich auf ihn schoss und er aus Angst, es sei ein betrunkener Soldat, geflohen war - direkt in die Arme eines Ungeheuers, das in seiner Vorstellung

Weitere Kostenlose Bücher