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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zuerst so groß wie ein Mensch, im nächsten Satz jedoch schon so riesig wie ein Haus war. Seine eigene Rolle beschönigte er bei seiner Erzählung ein wenig, denn er konnte sehen, dass seine Zuhörer fasziniert lauschten. Watling sah die einmalige Chance, zu einer von allen respektierten Person im Lager zu werden. Und so verwandelte er seine simple Flucht vor dem Ungeheuer in einen heroischen Kampf, den er beinahe gewonnen hätte. Doch dann zuckten plötzlich silberne Blitze an ihm vorbei und trieben das Monstrum in die Flucht.
    »Silberne Blitze?«, unterbrach ihn der zahnlose Ian Murphy. »So was hab' ich mal auf See gesehen.«
    »Aber die kamen bestimmt nicht aus der Brust eines Mannes«, konterte Watling, verärgert über die Unterbrechung.
    Murphy schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht. Aber da war eine Riesenschlange, mehr als dreißig Fuß lang, die…«
    »Lass den Mann zu Ende erzählen«, murrte Cooper und wandte sich an Watling. »Hast du jemanden erkannt?«
    »Nein, aber es war ein Weißer, der von einem Wilden begleitet wurde.«
    Die Männer und Frauen auf den strohbedeckten Brettern sahen sich ratlos an. Irgendwo im Hintergrund, verborgen in den langen Schatten, die von zwei Kerzen an die Wand geworfen wurden, schnarchte ein Betrunkener ungerührt vor sich hin.
    »Ein Weißer und ein Wilder«, sagte ein Sträfling nachdenklich. »Welcher Mensch gibt sich denn schon mit diesem stinkenden, schwarzen Pack ab?«
    Watling schwieg. Er hatte kein Interesse daran, seine eigenen Kontakte zu den Eora zu erläutern. Schließlich hing sein Plan allein von ihrer Hilfe ab.
    Cooper griff unter ein Brett und zog eine Rumflasche hervor. »Hier, nimm einen Schluck. Den hast du dir wirklich verdient.«
    Der Fälscher nickte dankbar.
    »Schütte auch etwas über deine Wunde«, riet Murphy, der es nicht übel zu nehmen schien, dass seine Geschichten an diesem Abend nicht gefragt waren. »Das schützt vor Wundbrand, sagen wir auf See.«
    Watling runzelte die Stirn. »Wieso Wunde?«
    Sein Blick folgte Murphys ausgestrecktem Zeigefinger, der auf seine Wade zeigte. Überrascht entdeckte Watling die Abdrücke der Reißzähne, die immer noch weiß in sein braungebranntes Bein eingegraben waren. Ein wenig Blut war aus der Wunde ausgetreten und bildete feine Linien, die über seinem Fuß getrocknet waren.
    »Das Ungeheuer muss versucht haben, mich zu beißen«, murmelte er und folgte Murphys Rat. Der Rum brannte kurz auf seinem Bein und bewies erneut seine erstaunliche Heilwirkung, denn am nächsten Morgen war die Wunde bereits verschwunden…
    ***
    Gegenwart
    Nicole hob resignierend die Hände und stand nach einer knappen Geste des Vermummten auf. Die Schüsse hatten aufgehört und die Dämonenjägerin sah, dass andere schwarz gekleidete Gestalten die Gewehre ebenfalls auf sie und Watling richteten.
    Irgendwie wiederholten sich die Ereignisse…
    »Sind sie das?«, fragte eine männliche Stimme dumpf unter schwarzen Tüchern.
    Der Angesprochene nickte.
    »Dann gehen wir nach oben,« befahl die Stimme.
    Nicole folgte der stummen Aufforderung der Gewehrmündung und ging an den Vermummten vorbei in Richtung Treppe. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass einer von ihnen den Dhyarra-Kristall aufhob und in einer Falte seiner Kutte verschwinden ließ.
    Die Dämonen jägerin fluchte innerlich. Ihr Versuch, Watling in seine Zeit zurückzuschicken, entwickelte sich immer mehr zur Katastrophe.
    Der Engländer war in Château Montagne aufgetaucht und hatte versucht, seine seltsame Reise mit einigen Lügen zu erklären. Schließlich war es Nicole und Zamorra jedoch gelungen, die Wahrheit herauszufinden: Anscheinend war Watling durch die Regenbogenblumen aus dem Jahr 1794 in die Gegenwart gelangt. Diese Erklärung warf jedoch weitere Rätsel auf, denn zum einen benötigte man eine klare Vorstellung des Zielorts, um die Blumen benutzen zu können, und zum anderen behauptete der Engländer, aus einer Sträflingskolonie in einem Land namens Australien geflohen zu sein - einem Land, von dem weder Zamorra noch Nicole jemals gehört hatten. Auch Watlings Versuch, ihnen Australien auf einer Landkarte zu zeigen, scheiterte. Weil ein Land, das es nicht gab, ja auch auf keiner Karte verzeichnet sein konnte…
    Kurz darauf erschien der Zauberer Merlin und forderte Zamorra auf, Watling wieder in seine Zeit zurückzuschicken, da dessen Reise den Zeitstrom dramatisch verändert habe. Der Zauberer verweigerte jede weitere Erklärung, angeblich um das

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