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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Entfernung lag eine Gruppe von Kängurus dicht zusammengedrängt unter einem ausladenden Baum. Ihre großen Ohren zuckten, als sie den Gesang des einzelnen Eora im Schlaf hörten, aber sie wachten nicht auf. Sie schienen zu wissen, dass ihnen in dieser Nacht keine Gefahr von den Menschen drohte.
    Wantaparis Melodie brach plötzlich ab. Die anderen Krieger traten vorsichtig an seine Seite und beobachteten, wie er in die Hocke ging. Mit einer Hand strich Wantapari über das Gras. Dann hob er den Blick wieder und sah die Krieger nacheinander an. In seinen Augen lasen sie die Botschaft, die sein Mund nicht aussprechen wollte.
    Wantapari hatte den Ort erreicht, an dem Zamorra tödlich getroffen gestorben war. Er hatte den Platz gefunden, wo er gewartet hatte, bis das Herz des Weißen aufhörte zu schlagen. Er hatte seine Krieger ans Ziel geführt.
    Aber Zamorras Körper war verschwunden…
    Macarthur schrie erschrocken auf und warf sich nach vorne ins Stroh. Mit einer Hand tastete er nach der Pistole, die er zur Verteidigung immer im linken Stiefelschaft trug. Zitternd riss er die Waffe hervor und zielte in die Dunkelheit.
    »John, was machen Sie da? Ich bin es doch«, zischte Groses Stimme. Er hatte anscheinend Schwierigkeiten, sich unter Kontrolle zu halten, denn zwischen den Worten grunzte, heulte und knurrte er wie ein wildes Tier. Macarthur konnte ihn kaum verstehen. Irgendwas stimmt nicht mit ihm, dachte der Captain abschätzend. Was ist mit ihm geschehen?
    »Sir, habe ich Ihre Erlaubnis, eine Lampe zu entzünden?«, fragte er laut und stand auf. »Nach den Schrecken dieser Nacht kann ich ein wenig Licht gebrauchen.«
    Er hörte, wie der Major zögerte.
    »Sir?«, fragte er nach.
    Grose seufzte. »Mein lieber Freund, Sie dürfen gerne etwas Licht ins Dunkel bringen. Allerdings befürchte ich, das Sie den Schrecken noch einen hinzufügen müssen…«
    Macarthur runzelte die Stirn. Ausnahmsweise schien sein Vorgesetzter mehr zu wissen als er selbst. Das war zumindest ungewöhnlich. Der Captain tastete nach einer der Petroleumlampen, die an den Balken hingen, und entzündete den Docht. Erst als die Flamme gleichmäßig brannte, nahm Macarthur die Lampe vom Haken und leuchtete in den Stall hinein.
    Und hätte die Lampe beinahe fallen lassen, denn der Anblick, der sich ihm bot, war grotesk.
    Grose stand halb gebückt vor ihm, sein Gesicht verzerrt wie in einem Jahrmarktsspiegel. Sein Oberkiefer war wolfsähnlich nach vorne gezogen und von Fell bedeckt. Lange Reißzähne ragten daraus hervor, während der menschliche Unterkiefer halb von einer Hundezunge verdeckt wurde, die nicht mehr genug Platz fand und deshalb bis zum Hals nach unten hing. Sein rechtes Auge war gelb wie das eines Raubtiers, das linke braun und von Fell umschlossen. Eine Schulter war hochgezogen und muskulös, die andere, die menschlich wirkte, hing herunter und endete in einem überlangen, fellbedeckten Arm, mit dem sich Grose auf dem Boden abstützen musste, um nicht umzufallen. Auch seine Beine waren unterschiedlich lang, und nur noch teilweise von Fell bedeckt. In einem bizarren Versuch, sich etwas Würde zu verschaffen, hatte Grose seinen deformierten Körper in die Uniformjacke gezwängt, deren Stoff bereits an der Schulter aufgerissen war.
    »Oh Gott«, flüsterte Macarthur. »Sir…«
    »Kein schöner Anblick, richtig? Es fing bereits auf dem Weg hierher an. Ich begann mich zurück in einen Menschen zu verwandeln, aber wie Sie sehen, kann ich den Prozess nicht abschließen.«
    Hüpfend und hinkend bewegte sich der Major nach vorne. Seine Augen funkelten.
    »Sie haben mich eben im Stich gelassen, John«, fuhr er zischend fort.
    Macarthur konnte sehen, wie bei jedem Wort eine Speichelfontäne aus seinem Maul schoss. Mühsam unterdrückte er seinen Ekel und setzte zur Rechtfertigung an. »Sir, ich habe den Mann erschossen, der Sie angegriffen hat. Sie können mir wohl kaum vorwerfen, dass ich meine Pflicht nicht erfüllt hätte.«
    »Sehen Sie mich an!«, schrie der Major unerwartet und blieb schwankend stehen. »Ich bin eine Missgeburt! Ich kann kein neues Opfer jagen. Ich kann mich nicht vor Menschen zeigen. Was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt machen, John? Wissen Sie das?«
    Grose verlor das Gleichgewicht. Er heulte wie ein Wolf und fiel ins Stroh. Macarthur sah sich schaudernd um. Es wäre eine Katastrophe, wenn jemand den Lärm gehört hatte und in den Stall kam um nachzusehen.
    Oder?
    Er stutzte. Eine Idee begann sich in seinem Kopf zu

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