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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zu sehr mit der Verteidigung des Gebäudes beschäftigt, um einen einzelnen Mann zu bemerken.
    Zamorra duckte sich zwischen den baufällig wirkenden Hütten. Er wusste, dass er richtig gehandelt hatte, als er Macarthur die Information über den Angriff der Eora gegeben hatte. Wantaparis Krieger durften nicht siegen, aber trotzdem fühlte sich Zamorra wie ein Verräter. Schlimmer noch, denn er war dabei, einen Zeitstrom wiederherzustellen, der zum Untergang dieses Volkes füh-. ren würde. Es war eine Entscheidung, dachte er, die kein Mensch treffen sollte, aber Merlin und die Traumzeitwesen hatten ihn an einen Punkt gebracht, der ihm keine andere Wahl mehr ließ.
    Laute Schreie und Schüsse rissen ihn aus seinen Gedanken. Zamorra sah zu einem Gebäude hinüber, das wie ein Stall aussah. Ein menschlicher Kopf rollte plötzlich hinter dem Stall hervor. Nur Momente später folgte eine größere Gruppe von Sträflingen in offensichtlicher Panik. Ihre Ketten klirrten laut.
    Und dann schob sich eine halb wölfische Gestalt mit blutiger Schnauze hinter dem Gebäude hervor. Zamorra sah die Löcher in seinem Fell, Spuren, die darauf hinwiesen, dass die Gefangenen vergeblich versucht hatten, ihn zu erschießen.
    Der Werwolf selbst wirkte unsicher. Er blieb schwankend auf dem Platz stehen und knurrte laut. Die Soldaten im Gouverneursgebäude senkten ihre Musketen und starrten ungläubig auf das Schauspiel, während die Sträflinge vor der Bestie zurückwichen, so weit es ging.
    Zamorra murmelte eine Verwünschung. Er wollte nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig erregen, deshalb hatte er gehofft, den Werwolf an einem etwas einsameren Ort zu stellen. Die Bestie hatte aber anscheinend nicht vor, ihm diesen Gefallen zu erweisen. Statt dessen näherte sie sich auf allen vieren dem Gouverneursgebäude. Gut so, dachte Zamorra, komm in meine Richtung.
    Er löste das Amulett von der Kette.
    Einige der Soldaten wurden an ih-. ren Fensterplätzen nervös und richteten ihre Muskete auf die Bestie.
    »Das bringt nichts«, schrie ihnen ein Sträfling zu. »Die Kugeln verletzen ihn nicht.«
    Der Werwolf fuhr knurrend herum, als er die laute Stimme hörte. Der Gefangene wich zurück, aber das schien die Bestie nur noch mehr anzuspornen. Blitzschnell schoss sie vor und setzte zum Sprung an.
    Zamorra hatte keine Zeit mehr zu zielen Er holte aus und warf das Amulett. Die Metallscheibe sirrte durch die Luft. Silberne Strahlen schossen daraus hervor. Einer von ihnen bohrte sich in die Brust des Werwolfs. Sein schmerzerfülltes Heulen hallte über den Platz. Der halb tierische Körper schlug hart auf dem Boden auf, wurde menschlich.
    Entsetzt starrten die Kolonisten auf die Leiche von Major Francis Grose. Und dann richteten sich alle Augen auf Macarthur, der zitternd an einem der Fenster stand.
    »Ich habe nichts davon gewusst!«, schrie er.
    Die Soldaten traten ungerührt aus dem Gouverneursgebäude und gesellten sich zu den Sträflingen. Keiner von ihnen glaubte, dass der engste Vertraute des Majors nichts von dessen Verwandlung geahnt hatte. Die gemeinsame Abscheu vor dem Captain einte die Gegner.
    Zamorra rief das Amulett zu sich zurück und schlich zwischen den Hütten hindurch in Richtung Wald. Die Saat für einen Sieg der Kolonie über die Eora war gelegt. Und vielleicht gelang es ihm auch noch zu verhindern, dass dieser Kampf überhaupt stattfand.
    »Du hast deine Aufgabe erfüllt, Zamorra«, sagte eine Stimme in diesem Moment. Der Dämonenjäger sah zur Seite und entdeckte Pata, die in ihrer Kängurugestalt neben ihm stand.
    »Die Pfade der Traumzeit haben sich durch deinen Eingriff so verändert, dass der Schamane bei dem Kampf sterben wird.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Es ist nicht nötig, dass es zum Kampf kommt. Gulajahli wird ohnehin an diesem Tag sterben. Wenn die Eora die Kolonie nicht vernichten, wird der alte Zeitstrom wieder hergestellt. Der Schamane stirbt, aber der Stamm besteht weiter.«
    Das Känguru wackelte mit den Ohren und sah ihn bedauernd an. »Du verstehst nicht. Es ist der Wunsch der Traumzeit, dass der Kampf an diesem Tag stattfindet. Es ist eine Geschichte, die bald an den Feuern gesungen wird. Ihr Klang wird das Land bereichern, die Geister der Toten werden über Quellen und Flüsse wachen. So wird es das Beste sein.«
    »Das Beste für das Land vielleicht, aber nicht für Menschen«, entgegnete Zamorra aufgebracht.
    »Nichts zählt außer dem Land.«
    Der Parapsychologe hob resignierend die Hände.

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