0680 - Der verratene Traum
dass der Alptraum aller Offiziere von Botany Bay für ihn Wahrheit geworden war. Die Gefangenen lehnten sich auf.
»Wache!«, schrie Macarthur.
***
Die Tür zerbarst unter dem Ansturm der Sträflinge. Laut grölend drängten sich die Männer und Frauen hinter Eddie Cooper in die Waffenkammer. Musketen, Pistolen und Dolche wurden weitergereicht, Pulver und Kugeln verteilt. Ein Schuss löste sich aus einer frisch geladenen Waffe und schlug in die Holzwand.
»Pass doch auf!«, schrie Cooper verärgert. Er steckte sich zwei Pistolen in den Gürtel und setzte ein Bajonett auf eine Muskete. So ausgestattet erkämpfte er sich seinen Weg nach draußen, wo Mad Dog Baxter mit einigen anderen stand.
»Die bringen sich da drinnen noch gegenseitig um«, fluchte er.
Im nächsten Moment duckte er sich auch schon, als eine Kugel neben ihm ins Holz schlug. Einige Sträflinge schossen zurück. Cooper sah sich um. In der Kolonie tobte das Chaos. Kleine Gruppen von Gefangenen schlugen mit Äxten auf ihre Baracken ein oder versuchten, die Hütten mit Fackeln in Brand zu stecken. Die ersten Rauchschwaden wurden vom Wind über den Platz geweht. Überall hörte man Schreie und Schüsse. Die Luft stank nach Pulverdampf. Tote und Verletzte lagen auf dem Platz verstreut. Die meisten von ihnen trugen Lumpen. Nur wenige Soldaten hatten bisher den Tod gefunden. Die überlebenden Soldaten hatten sich in das Gouverneursgebäude zurückgezogen und schossen aus den Fenstern auf die Aufständischen.
Cooper hatte sich das alles anders vorgestellt. In Gedanken hatte er sich als Anführer einer Gefangenenstreitmacht gesehen, die unaufhaltsam bis zu Macarthur vordrang, ihn am Fahnenmast aufknüpfte und dessen Rumvorräte bei einem großen Gelage unter sich aufteilte. Aber es gab keine Streitmacht. Da waren nur zufällig zusammengewürfelte Gruppen, die ihren Hass an den Objekten oder Menschen ausließen, die sie gerade vorfanden. Es gab keinen geordneten Angriff. Das Chaos regierte.
»Hey«, sagte Mad Dog neben ihm. »Warum so traurig? Wir haben Waffen, Munition und Rum. Lass uns feiern. Früher oder später kriegen wir die Soldaten auch noch.«
Cooper hob die Schultern. »Du hast recht. Aber zuerst legen wir das Monster um.«
Er drehte sich zu einigen anderen Sträflingen um. »Was meint ihr?«, rief er laut. Einige gegrölte Obszönitäten, die Cooper als Zustimmung wertete, waren die Antwort, dann setzte sich die Gruppe auch schon in Bewegung. Zwanzig Aufständische liefen geduckt über den Platz. Achtzehn von ihnen erreichten lebend den Stall.
Mit dem Gewehrkolben schlug Cooper so lange auf das Vorhängeschloss ein, bis es klirrend zu Boden fiel.
»Dann wollen wir uns das Monster mal ansehen!«, rief er siegessicher.
Fünf Sekunden später war er tot.
***
In einer disziplinierten Reihe zogen die Krieger der Eora durch den Busch in Richtung der Kolonie. Jeder Mann trug einen Speer in der Hand und drei Bumerangs, die hinter einem um seine Hüften geschlungenen Seil steckten.
Gulajahli, der gemeinsam mit Wantapari vor ihnen herging, hob den Arm. Die Krieger stoppten und sahen ihn erwartungsvoll an.
»Euer Weg zum Lager der Weißen ist nicht mehr weit. Ich kehre jetzt zurück, um die Ahnen gnädig zu stimmen und um euren Sieg zu bitten. Möge Willajee mit euch sein.«
Die Männer nickten. Nur Wantapari trat vor. »Ist es nicht üblich, dass ein Schamane bei großen Beutezügen mit seinen Kriegern geht? Und ist dies nicht der größte Beutezug, den wir je gewagt haben? Warum willst du gerade heute mit dieser Tradition brechen?«
Gulajahli sah ihn verwirrt an. Wieso sagt er das?, dachte er. In all den Versionen dieses Ereignisses, die ich betrachtet habe, hat er nie so etwas gesagt…
Laut entgegnete er. »Ich kann dem Kampf sicher besser dienen, wenn ich zu den Ahnen spreche.«
Wantapari neigte den Kopf. »Aber wer soll uns dann vor dem bösen Geist Zamorras schützen, der sich im Lager der Weißen befindet?«
»Er hat Recht«, stimmten jetzt auch die anderen Krieger zu. »Es ist besser, wenn du uns begleitest.«
Der Schamane lächelte gequält. »Also gut… Es wird mir eine Ehre sein, an eurer Seite zu kämpfen.«
Er spürte, wie sich die Pfade der Traumzeit veränderten, aber er konnte nicht sagen, was passieren würde.
Die Reihe der Krieger zog weiter.
***
Niemand achtete auf Zamorra, als er aus dem Büro des Captains trat, die Treppe herunterging und durch ein offenes Fenster nach draußen verschwand. Die Soldaten waren viel
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