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0680 - Der verratene Traum

0680 - Der verratene Traum

Titel: 0680 - Der verratene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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hinauswollte. Es war das einzige Argument, dem er hilflos gegenüberstand. Er war sich nicht sicher, wie er darauf antworten sollte, denn leugnen konnte er die Gräueltaten und das Elend nicht.
    »Dein Volk wird furchtbar leiden«, sagte er vorsichtig, »aber es wird nicht daran zerbrechen. Die Traumzeit besteht weiter und damit auch die Hoffnung auf eine bessere Zeit. Das ist alles, was ich dir anbieten kann.«
    Der Schamane legte die Hand auf eine Felsspalte. »Das ist leider nicht gut genug«, sagte er kalt.
    In der nächsten Sekunde flog sein Arm nach oben. Die Bewegung war so schnell, dass Zamorra ihr kaum mit den Augen folgen konnte.
    Dann raste ihm auch schon ein Bumerang entgegen!
    ***
    Gegenwart
    »Das kann doch nicht so schwer sein«, murmelte Nicole undeutlich, als die Trümmerstücke nicht durchscheinend wurden und der Dhyarra auch sonst nicht den Anschein erweckte, ihre Anweisungen verstanden zu haben.
    Sie konzentrierte sich erneut auf den Befehl, aber eine halb erahnte Bewegung am Rande ihres Sichtfelds lenkte sie ab.
    Nicole sah zur Seite.
    Und ließ überrascht den Dhyarra sinken. Neben ihr stand ein hagerer schwarzer Mann, der starr nach vorne blickte. Er war nackt und am ganzen Körper mit breiten weißen Streifen bemalt, was ihn wie ein Skelett erscheinen ließ. Aus seinem Mund klang eine monotone Melodie. Die Luft waberte um ihn herum, als stünde er in einer unsichtbaren Blase.
    Wo kommt der denn her?, dachte Nicole irritiert.
    Sie erahnte den Zusammenhang zwischen dem Auftauchen des Unbekannten und dem Einsatz des Dhyarra-Kristalls. Anscheinend hatte sie ihren Befehl so schwammig dargestellt, dass der Kristall nicht das Metall durchsichtig, sondern den Schwarzen sichtbar gemacht hatte.
    Sie erinnerte sich an die Worte des Blinden in der Lepra-Kolonie, der die ganze Zeit behauptet hatte, neben Nicole und Watling noch einen dritten Gefangenen bemerkt zu haben. War der Schwarze da bereits bei ihnen gewesen und hatte nur der Blinde ihn wahrgenommen?
    Die Annahme erschien zumindest wahrscheinlich, bedeutete aber auch, dass irgendjemand daran interessiert war, Nicole und Watling zu beobachten.
    Aber warum?
    Die Melodie, die der Schwarze sang, änderte plötzlich ihren Rhythmus. Sie wurde schneller, klang fast hektisch.
    Nicole sah ihn misstrauisch an. Der Mann drehte sich langsam um die eigene Achse, bis sein Blick den ihren kreuzte. Die Dämonenjägerin las Überraschung und einen Hauch von Panik in seinen Augen. Sie bemerkte, dass seine Hände begannen, ein unsichtbares Muster in die Luft zu zeichnen. Vielleicht war es ihre Telepathiebegabung, die sie instinktiv erkennen ließ, dass er einen Zauber wob, der ihn von diesem Ort wegbringen sollte.
    »Oh nein«, sagte Nicole. »Du bleibst hier!«
    Sie warf sich nach vorn, hinein in die unsichtbare Blase. Es wurde heiß. Nicole prallte gegen den Körper des Schwarzen.
    Und verschwand mit ihm.
    ***
    Australien 1794
    »Ich hätte nie durch diesen verdammten Spalt sehen sollen«, murmelte Ian Murphy zum wiederholten Mal. Er sah David Buchanan an, der auf einem umgestürzten Baumstamm saß und mit seinem kleinen Messer im Schloss der Fußketten herumstocherte. Der Schmied ignorierte ihn. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, ob er die Worte überhaupt gehört hatte.
    Murphy seufzte. Missmutig brach er einen dünnen Ast von einem Strauch ab und schlug ihn gegen die graue Rinde eines Eukalyptusbaums. Seine Laune hatte ihren Tiefpunkt erreicht. Er hatte Hunger, Durst und einen nicht zu unterschätzenden Kater, der sich wie eine bleierne Kugel um seinen Kopf gelegt hatte und jeden vernünftigen Gedanken abblockte. Nur so konnte er sich erklären, dass er nicht protestiert hatte, als Watling ankündigte,, er müsse kurz mit jemandem reden. Der Fälscher war ohne viele Worte im Wald verschwunden und hatte seine beiden Mitgefangenen zurückgelassen. Sie warteten auf seine Rückkehr, ohne zu wissen, ob er überhaupt zurückkehren würde.
    Irrsinn, dachte Murphy. Wir hätten uns nicht darauf einlassen dürfen. Und ich hätte nie durch diesen verdammten Spalt sehen sollen.
    Hinter ihm sprang das Schloss der Fußfesseln mit einem lauten Klacken auf. Buchanan grunzte zufrieden und zog seinen Fuß aus der Metallklammer.
    »Warum hast du ihn nicht davon abgehalten?«, fragte Murphy.
    Der Schmied begann mit seiner Arbeit am zweiten Schloss. »Wen wovon abgehalten?«
    »Watling. Er hätte nicht ohne uns abhauen dürfen. Und mit wem will er überhaupt da draußen

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