0682 - Das Geisterkind
dem Tisch lagen. Rauchend stellte ich mich an das Fenster und dachte nach.
Dass kein Öl auf die Fahrbahn geflossen war, empfand ich als sehr positiv. Außerdem passte es zu den beiden Männern Ray und Rami, die sich Suko gegenüber als sehr naturverbunden gezeigt hatten und dabei waren, einen Weg zwischen der Natur und der Mystik zu finden. Über die Mittel und Wege dorthin konnte man streiten. Ich persönlich stand ihnen auch nicht als direkter Feind gegenüber, sondern sah sie allenfalls als ein neutrales Paar an, das bestimmte Ziele verfolgte.
So weit, so gut.
Weshalb aber hatten sie uns in das Haus gelockt und unsere Namen mit Blut oder roter Farbe in die goldenen Rechtecke geschrieben? Das musste ich noch herausfinden. Bisher konnte ich mir nichts darunter vorstellen, es war allerdings auch möglich, dass eben dieses bewohnte Mietshaus in unserem Fall noch eine Rolle spielte.
Ich wusste Bescheid, Suko noch nicht. Deshalb rief ich ihn an. Er meldete sich ziemlich brummig.
Ich lachte in den Hörer. »Weshalb soll es dir besser gehen als mir, Alter?«
»Was willst du denn?«
»Dir das Ergebnis einer Analyse mitteilen.«
»Und das hatte nicht Zeit bis zum Dienstbeginn?«
»Nein, hör zu, denn du kennst die beiden Künstler viel besser als ich.« In den nächsten beiden Minuten bekam er zu hören, was die Untersuchung ergeben hatte, und ich wartete gespannt auf seine Reaktion, die prompt erfolgte.
»Das ist ja ein Ding. Also haben Rami und Ray Rücksicht genommen. So schätze ich sie auch ein.«
»Nun mach keine Umarmung, bitte. Ich bin davon überzeugt, dass sie hier in London gewisse Pläne verfolgen.«
»Die brauchen sich nicht unbedingt gegen uns zu richten. Vielleicht wollen sie uns nur auf eine gewisse Spur bringen. Ihr Denken ist oft anders als bei einem Normalbürger, John…«
»Für mich zu anders.«
»Siehst du sie als Feinde an?«
»Nicht direkt, eher sportlicher.«
»Ja, ich auch. Sonst noch etwas?«
»Nein!«, stöhnte ich. »Du kannst dich in deine Kiste hauen, Alter.«
»Danke.«
Ich blieb sitzen und starrte ins Leere. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass die beiden uns bereits eine Schlinge drehten. Nur wusste ich leider nicht, wie und wo das alles geschah. Vielleicht brachte der folgende Tag Aufklärung…
***
Rami und Ray standen noch immer zu beiden Seiten des Totenbetts und hielten ihre Stirnbänder fest. Nichts hatte sich in den letzten Sekunden ereignet. Sie hielten sie in den Händen, nickten sich zu und zogen sie dann auseinander.
Ramis Stirnband zeigte eine helle Einfärbung, das seines Freundes eine dunkle.
Über dem Bett brachten sie ihre Hände zusammen, und zwar so weit, dass sich die Stirnbänder berühren konnten. Kaum hatten sie Kontakt, da funkte es zwischen ihnen auf.
Es war nichts dabei zu hören, dennoch erschreckte dieser Vorgang Kate Foreman gewaltig.
Was war das? Sie fand keine Erklärung, schaute weiter hin und lauschte, denn die beiden Männer öffneten ihre Münder, begannen damit, sehr leise einige Sätze zu murmeln, von denen die Frau kein einziges Wort verstand, weil ihre Sprache eine andere war. So kehlig, so fremd und gleichzeitig leise.
Da wurden Vokale lang und gedehnt ausgesprochen und Konsonanten oft genug verschluckt. Es war eine alte Sprache, möglicherweise sogar die der Kelten, vielleicht eine Totenbeschwörung, wie sie dieses Volk einmal gelernt hatte.
Wie festgewachsen saß Kate auf dem Stuhl und konnte nur starren. Rami und Ray redeten zwar intensiver, aber nicht lauter. Sie legten andere Betonungen in die Worte, und ihre beiden Stirnbänder schienen die Sätze ebenfalls verstanden zu haben, denn sie begannen damit, sich zu verändern. Bisher hatte Kate die Zeichen auf ihnen kaum wahrgenommen, jetzt aber traten sie intensiver hervor, angefüllt durch ein geheimnisvolles grünes Leuchten, das den Untergrund der Bänder dagegen sehr blass erscheinen ließ. Entziffern konnte sie die Zeichen nicht. Vielleicht waren es Runen oder Symbole anderer Geheimlehren. Kate jedenfalls war völlig durcheinander, sie stellte nur fest, dass sich die leuchtende Schrift auch weiter über dem Kopf der Toten konzentrierte.
Ihr geheimnisvolles Leuchten, das rätselhafte Strahlen überdeckte sogar den Schein der Kerzen und gab etwas von der eigentlichen Macht wider, die in den Stirnbändern steckte.
Kate beugte sich vor, um ihre Tochter besser sehen zu können. Dabei glitt ihr Blick über das Fußende hinweg bis zu dem blassen Gesicht, das ebenfalls
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