0682 - Das Geisterkind
Wohnung. Rechts daneben befand sich die Klingel in der Wand. Zwei Schritte entfernt war der Eingang zur nächsten Wohnung.
Suko schellte. Ein Guckloch wies die Tür nicht auf. Der Inspektor war gespannt, ob die Mieterin ohne weiteres öffnen würde. Viele Menschen taten es nicht, denn es passierte innerhalb der Stadt einfach zu viel. Die Überfälle nahmen ständig zu.
Kate Foreman öffnete. Ziemlich hastig sogar, als hätte sie einen Besucher erwartet. Als sie Suko sah, erstarrte ihre Bewegung, und sie schaute den Inspektor aus großen Augen an.
»Sie hier?«
»Pardon - kennen wir uns?«
Fahrig strich Kate durch ihr dunkles Haar. »Nein, das nicht, entschuldigen Sie, aber…«
Suko lächelte und zeigte seinen Ausweis. »Das macht gar nichts, Madam. Wie Sie sehen, bin ich von Scotland Yard. Ich hätte gern einige Worte mit Ihnen gewechselt.«
Sie schaute auf den Ausweis, dann in Sukos Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht, was ich mit dem Yard…«
»Es geht nicht um Sie persönlich. Das möchte ich aber mit Ihnen in der Wohnung besprechen.«
»Wenn Sie meinen.«
Suko dachte über das Verhalten der Frau nach. Es war ihm nicht so vorgekommen, als hätte sie ihn zum ersten Mal gesehen. Irgendwie schien er ihr schon bekannt gewesen zu sein, und das wiederum wunderte ihn, denn ihm war die Mieterin der Wohnung fremd.
Etwas stimmte da nicht…
Sie führte ihn in den Wohnraum. Sie hatte die Vorhänge vorgezogen und für eine gewisse Düsternis gesorgt. Etwas verlegen stand Kate neben einem Sessel. Auf Suko machte sie den Eindruck einer erschöpften Frau, die eine Nacht lang nicht geschlafen hatte. Sie war zudem dunkel gekleidet, was die Blässe ihres Gesichts noch mehr hervorhob.
»Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. Foreman?«
»Doch, wieso?«
»Sie kommen mir so vor.«
»Das täuscht. Bitte, kommen Sie doch zur Sache. Ich wollte eigentlich gerade gehen.«
»Ja, natürlich. Ich habe nur eine Frage zu diesem Haus und dessen Mietern.«
»Darüber gebe ich keine Auskunft. Sie müssen mich nicht als eine Klatschtante ansehen.«
Suko wehrte ab. »Mrs. Foreman, das habe ich auch nicht vorgehabt. Mir geht es auch nicht um das Verhältnis der Mieter untereinander, sondern um die Wohnung, die unten noch nicht belegt ist. Sie ist frei - aber ist sie auch vermietet?«
»Ja.«
»An wen?«
»Das weiß ich nicht.«
Suko war die Antwort zu schnell erfolgt. Seiner Ansicht nach hatte die Frau gelogen.
»Wann wird sie bezogen?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Schön. Eine Frage hätte ich noch. Ihnen sagen die Namen Rami und Ray nicht zufällig etwas?«
Suko hatte die Frau nicht aus den Augen gelassen und stellte fest, dass sie zusammenzuckte. Sie hatte sich nicht in der Gewalt, sie spielte ihm etwas vor, das spürte er deutlich. Sie wich einer Antwort aus.
»Was sind das für ungewöhnliche Namen? Es tut mir Leid, davon habe ich nie etwas gehört.«
»Rami und Ray.«
»Nein, nie.«
»Wirklich nicht, Mrs. Foreman?«
Sie schüttelte den Kopf und zeigte sich leicht nervös. »Wenn ich Ihnen doch sage, dass ich diese seltsamen Personen nicht kenne, muss es Ihnen genügen.«
»Im Prinzip schon. Nur weiß ich, dass die beiden hier im Haus gewesen sind.«
»Warum fragen Sie dann nicht die anderen Mieter?«
»Irgendwo muss ich ja anfangen. Ich will Ihnen ehrlich sagen, Mrs. Foreman. Sie gefallen mir nicht. Ihr Zustand macht mir Sorgen. Sie sehen aus, als hätten Sie Schreckliches hinter sich. Und ich möchte Ihnen gern helfen.«
Sie stand da, sagte nichts, bewegte nur den Mund und auch die dünne Haut am Hals, als sie schluckte. Suko hatte ins Schwarze getroffen. Die Nerven der Frau lagen bloß. Sie musste etwas Schlimmes hinter sich haben.
»Keine Meinung, Mrs. Foreman?«
»Bitte, Mister. Ich möchte, dass Sie gehen. Ich - ich muss einfach allein bleiben.« Sie stützte sich an der Sessellehne ab, weil sie sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Einen Moment später brach sie zusammen. Suko lief hin und half ihr.
Sie lag schräg in seinen Armen. Er schaute von oben herab in ein wächsernes Gesicht, das Ähnlichkeit mit dem einer Toten aufwies. Die Augen hatten einen starren Blick. Sie schauten Suko an, ohne ihn jedoch direkt sehen zu können.
»Bitte - Mister - ich - ich kann nicht mehr. Es war zu viel für mich. Meine Tochter, sie ist…«
»Was ist mit Ihrer Tochter?«
»Sie ist tot. Gestorben in der letzten Nacht. Es ist alles so furchtbar.«
»Wie alt war sie?«
»Elf
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